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Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Titel: Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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hab nicht aufgepasst.«
    »Konzentrier dich!«
    Ich hatte nach draußen geschaut. Die Lichter der Schiffe in der Bucht sind weit entfernt, schwer zu sagen, wie weit. Trotzdem sind sie strahlend hell, hinter der gebogenen Überführung und den alten Silos aus sandfarbenen Ziegeln.
    Wir stehen ganz eng beieinander, ihre Stirn an meiner Wange. Wie Elisa und der Professor an jenem Abend. Ich hätte doch alle fünf Tropfen nehmen sollen.
    »Ich liebe meine Frau noch immer«, sage ich.
    Sie rührt sich nicht. Nicht einen Millimeter. Sie hebt den Kopf und schaut zu mir auf, ihre geschminkten Augen sehen müde aus, aber fest entschlossen, in mich einzudringen und diesem armseligen Leben, der Autistenrotze und den Neandertalern, die sie morgen in der Schule erwarten, zu trotzen.
    »Keine Sorge«, sagt sie. »Ich hab nur Lust auf Sex.«
    »Langsam«, hat sie gesagt. Anfangs. Und später: »Fick mich!«
    Das kam geradeheraus und klang fast wie ein Befehl. Und nach einigen Sekunden: »Nicht aufhören, nicht aufhören!« Was sich eher wie ein Flehen anhörte. Ich weiß auch nicht. Und am Ende: »Komm ruhig, ich nehme die Pille.«
    Für meine Verhältnisse hat sie ganz schön viel geredet. Ich packte ihr glattes Fleisch, hielt mich an ihren Schultern fest und stieß zu. Jetzt schläft Laura, ihre spitzen Knie schauen unter dem Laken hervor.
    In ihrem Gesundheitswahn hat sie einen Vorrat alkoholfreies Bier im Kühlschrank gebunkert. Ich öffne mir eine Flasche und trinke auf die Gesundheit, von plötzlicher Dankbarkeit erfüllt. Ich habe mehr von ihr bekommen, als ich erwartet hatte. Es gibt für mich keinen Grund, sie wiederzusehen, und ich sollte gar nicht hier sein.
    »Bist du abgehauen?«, höre ich sie rufen.
    »Nein, ich bin hier.«
    Ich gehe ins Schlafzimmer zurück.
    »Magst du auch einen Schluck Bier?«
    »Um Gottes willen. Wie spät ist es denn?«
    »Viertel nach drei. Ich muss los.«
    »Wohin?«
    »Nach Hause.«
    »Wo wohnst du? Nicht mal das weiß ich.«
    Ich wähle irgendeinen Ort zwischen Volterra und Cecina.
    »Da habe ich ein Jahr lang unterrichtet.«
    »Ehrlich? Schön da, oder?«
    »Ja, nicht zum Aushalten, so schön ist es da.«
    Ich lache. Sie stützt sich aufs Kopfkissen, sucht im Halbdunkel nach meinem Gesicht, bedeckt ihre kleinen Brüste mit dem Laken.
    »Es ist schon eine Weile her, dass ich mir diesen Spaß gegönnt habe.«
    »Vor der Zeit mit der Fähre?«, frage ich.
    »Blödmann«, sagt sie, lacht aber. »Du denkst wohl, ich habe hier rumgesessen und auf dich gewartet?«, fragt sie und knufft mich in die Seite. Ihre Miene verdüstert sich, und sie gibt zu: »Mehr oder weniger.«
    »Und warum nimmst du dann die Pille?«
    »Man kann nie wissen. Außerdem verhindert sie den Eisprung und hemmt die Libido ein bisschen.«
    »Den Eindruck hatte ich nicht. Übrigens ist es bei mir noch viel länger her.«
    »Ach, hör doch auf.«
    »Ich schwör’s. Wie lange, sage ich besser nicht.«
    Für so viel Ehrlichkeit reckt sie sich vom Kissen empor, um mich zu küssen.
    »Hast du Lust, mich wiederzusehen?«, fragt sie.
    »Warum nicht?«
    »Völlig unverbindlich?«
    »Völlig unverbindlich.«

14
    A uch für dich rückt Weihnachten näher, Furio Guerri. Aber vom ersten Januar an musst du mehr Umsatz liefern, du hast also andere Sorgen als die Christbaumbeleuchtung. Du schmiedest Pläne, gehst in die Offensive, erweiterst deinen Aktionsradius. In letzter Zeit übernachtest du gelegentlich in Hotels an Autobahnausfahrten, mit Teppichboden und Halogenspots auf dem Korridor. Die Entdeckung, dass die frischen Handtücher in allen Hotels gleich riechen, verleiht dir jenseits der kleinen Annehmlichkeiten der Anonymität ein Gefühl von Heimeligkeit. Bis eines Abends, als du zu später Stunde im menschenleeren Speisesaal eines Hotels beim Essen sitzt, deine Tochter anruft und sich beschwert: »Langsam wird die kleine Hexe Fipilì ein bisschen nervig, Papsi.«
    Aber Papsi weiß sich zu helfen, würdest du Caterina am liebsten sagen. Und schnappst der Konkurrenz die Kataloge von drei wichtigen Ausstellungen, die im Frühling in Florenz gezeigt werden, vor der Nase weg. Und einen viersprachigen Reiseführer über Siena. Und zwei Farbbände über die Wildflora der Apuanischen Alpen. Mit einem unwiderstehlichen Angebot gewinnst du darüber hinaus auch noch die regionale Ausschreibung für einen Leitfaden gegen Homophobie. Das scheint dir der gerechte Lohn für jemanden, der Kundschaft wie diese beiden Schwuchteln ertragen

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