Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

geschrieben. Wenn noch der Bericht und mindestens ein Tag Suspendierung vom Unterricht dazukommen … gute Nacht. Dann rasselt sie durch und wird gar nicht mehr in die Schule kommen, ist doch klar. So bescheuert, wie ihr Onkel und ihre Tante sind, wird sie dann wohl in ein Internat gesperrt. Und zwar auf ein katholisches, darauf kannst du wetten.«
    »Und dann?«
    »Und dann fliegt sie wieder, entweder weil sie zwei Nonnen in Brand steckt oder weil sie sich ernsthaft die Pulsadern aufschneidet. Wobei ich Ersteres eindeutig vorziehe.«
    »Sprich mit ihr«, schlage ich vor. »Sag ihr, dass du keinen Bericht schreibst, wenn sie sich ab morgen hinsetzt und paukt.«
    »Das habe ich doch tausendmal versucht. Das bringt nichts. Caterina weiß, wie man die Leute um den Finger wickelt, sie ist clever genug …«
    Laura beendet den Satz nicht.
    »Scheiße, ihren Namen durfte ich gar nicht sagen.«
    »Keine Angst«, beruhige ich sie. »Hab ihn schon wieder vergessen.«
    »Entschuldige, dass ich dich mit meinem Mist zumülle. Es ist so schön, mit dir zu reden.«
    »Finde ich auch.«
    »Was machst du so?«
    »Och, das Übliche. Tag und Nacht am Computer.«
    Seit ein paar Tagen beginnt mein Leben gegen neun Uhr abends am Computer.
    Vorher taucht Shaina nicht auf. Inzwischen haben wir eine Art Verabredung, obwohl wir uns nie darüber verständigt haben. Derjenige, der zuerst online ist, wartet nervös auf den anderen, und dann tun wir beide so, als wäre es reiner Zufall.
    Shaina : wie heißt das buch von deinem nickname?
    Heathcliff : sturmhöhe.
    Shaina : was ist das??? horror?
    Heathcliff : na ja … es geht um geister.
    Shaina : im jap horror gibts auch geister … die heißen yurei + tragen weiße kimonos … lange schwarze haare, auch im gesicht … hehehe … haben keine beine … fliegen nur rum … mit armen nach vorn, aber die hände sind tot.
    Heathcliff : genug.
    Shaina : alles getötete frauen, die Rache wollen … *g*
    Ich überlege, wie ich am besten das Thema wechsle, da ertönt in der Garage nebenan ein Riesenlärm. Ich tippe schnell »warte mal«, stehe auf und lege das Notebook im Sessel ab.
    Als ich Licht in der Garage mache, sind die ordentlich an der Wand aufgereihten Gartenscheren und Hippen nicht mehr an ihrem Platz. Das alte Paneel hat nachgegeben, noch mehr Arbeit morgen. Zum Glück ist nichts auf die Motorhaube des Spiders geknallt.
    Ich eile zurück an den Computer. Meine Finger schaffen es nicht einmal, das Fläschchen mit den Tropfen aufzuschrauben.
    Ja, es ist wirklich Horror, schreibe ich. Sturmhöhe ist eine Geschichte voller Hass und Gewalt. Du triffst die Liebe deines Lebens, und dein eigenes Leben wird zur Nebensache. Etwas, auf das du verzichten kannst. Die Existenz als solche ist nicht mehr selbstverständlich und unanfechtbar. Die Grenzen deines Körpers lösen sich auf. Wenn ihr zusammen seid, fühlst du dich doppelt lebendig, wie Gott am Anbeginn der Zeit. Aber allein fühlst du dich halb tot, so tot, dass du die Ausdünstungen deines verwesenden Fleisches riechst. Und statt als halber Mensch mit diesem Gestank zu leben und dir dabei zuzusehen, wie du verfaulst, stirbst du lieber voll und ganz.
    Ich schreibe, wie es kommt. Wenn ich mich verrate, kann ich auch nichts daran ändern. Ich schreibe weiter.
    Du kannst das Liebe nennen oder vollkommene Vernichtung. Du wünschtest, es wäre nie so weit gekommen, aber du willst auch nicht zurück, schreibe ich. Hass und Gewalt, darum geht es in Sturmhöhe . Schmerz und Krieg gegen die ganze Welt und gegen dich selbst. Wind und Schnee schlagen dir entgegen. Aber wenn du weinst, werden die Tränen zu Eis und stechen dir in die Augen. Kein Sex, nur Küsse, vielleicht sogar nur ein einziger Kuss, ich weiß nicht mehr, ich müsste es noch mal lesen.
    Ich höre auf zu schreiben. Ich habe einen Roman von zwanzig Zeilen eingetippt.
    Shaina : geeeiiil!!!
    Vor lauter Glück habe ich schon fast Mitleid mit mir selbst. Weil der Bildschirm meines Computers nur die Umrisse eines Gesichts zeigt, kann ich glücklicherweise so tun, als würde ich es nicht kennen.
    Shaina : ist dir das mal passiert???
    Ich denke darüber nach, aber im Grunde verlangt Caterina eh nicht die Wahrheit von mir.
    Heathcliff : bis jetzt noch nicht.
    Ihr ist es auch noch nicht passiert, schreibt sie und fragt mich weiter aus, will mehr über die beiden aus dem Buch wissen.
    Heathcliff : heathcliff wurde als kind halb verhungert aufgelesen … keiner weiß, wo er herkommt.
    Shaina : und