Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
sie?
Heathcliff : sie heißt catherine.
»Genau wie du«, füge ich hinzu. Erst als mein Zeigefinger schon über der Return-Taste schwebt, zögere ich. Das war keine Unachtsamkeit. Ich will die Taste mit der Form eines auf dem Kopf stehenden Ls drücken, will diese drei Wörter versenden, ich brauche das, so wie man manchmal einfach schreien möchte. Ich weiß, wie du heißt, und ich weiß, dass du, als du gelernt hast, allein zu essen, den Löffel nur haben wolltest, um damit die Suppe auf der Tischdecke zu verteilen. Ich weiß, dass du spät angefangen hast zu sprechen. Ich erinnere mich daran, dass wir zwei Monate lang fast jeden Tag einen anderen Arzt aufgesucht haben, und auch daran, wie verzweifelt man sich im Hause Domini gegen die Möglichkeit wehrte, mit Unvollkommenheit geschlagen zu sein, als wäre dein Schweigen Zeichen einer geheimen, von Gottvater enthüllten und nun bestraften Schuld.
24
A ls du nach Hause kommst, fischst du einen Abholschein der Post aus dem Briefkasten. Um deine Tochter kümmert sich eine junge Babysitterin, die du noch nie gesehen hast, denn Elisa ist auf einem Arbeitsessen mit den Unterstützern ihrer Freundin Romina. Das große Wahlkarussell beginnt sich zu drehen. Und du hast Aggradi soeben den kompletten Wahlkampf von Nicola Gagliardo zugeschleust, dem Mitte-rechts-Kandidaten, der gegen die liebe Freundin deiner Frau antritt. Um den Zuschlag zu bekommen, hast du ein Ass aus dem Ärmel geschüttelt, und Bellopede hat dir dabei geholfen.
Die Babysitterin ist natürlich eine Empfehlung von Romina. Beim Abschied sagt sie, eigentlich seien drei Stunden ausgemacht gewesen, von neun bis zwölf. Jetzt ist es gerade mal zehn.
»Und was soll ich Ihrer Meinung nach machen, ins Kino gehen?«
Bei einer Stunde Arbeitszeit habe sie nicht einmal das Benzingeld wieder drin, insistiert sie.
»Fahren Sie einen Porsche Carrera?«, fragst du, als du ihr einen Fünfzigtausend-Lire-Schein in die Hand drückst.
»Ich komme aus Pisa«, sagt sie, gibt deiner Tochter ein Küsschen und huscht durch die Tür, wohlwissend, dass sie nie wieder einen Fuß in dein Haus setzen wird.
Überall auf dem Teppich liegen Caterinas Zeichnungen verstreut. Im Fernsehen läuft eine Telefonschaltung zwischen Berlusconi und Santoro, diesem linken Journalisten. Der Politiker brüllt ihn an, er sei Angestellter im öffentlichen Dienst. »Aber ich bin nicht Ihr Angestellter«, schießt der Moderator zurück. Bis zu den Wahlen im Mai wird sich das Karussell in eine Zentrifuge verwandeln. Du stellst den Ton leiser.
Der Abholschein ist für die Rückspiegel deines Spiders. Die runden Originalspiegel der ersten Serie, Fabrikationsjahr 1968. Du hast sie bei einem Ersatzteilhändler in Cusano Milanino aufgetrieben. Das Internet ist wirklich eine großartige Erfindung. Leider ist es schon die zweite Benachrichtigung der Post, was bedeutet, dass du deine Rückspiegel in irgendeinem Depot am Ende der Welt abholen musst, zwischen einer Müllverbrennungsanlage und einer Lackfabrik.
»Bist du wütend, Papsi?«, fragt Caterina.
»Nein, mein Schatz, nur müde. War es denn nett mit unserer neuen Freundin?«
Caterina gibt keine Antwort, zieht einen Schmollmund und seufzt.
»Komm, Papsi, wir spielen Restaurant!«
»Erst sammelst du noch die ganzen Bilder ein, die du gemalt hast.«
Mit einer Papierserviette über dem Unterarm erkundigt sich deine Tochter kleinlaut, ob das Essen dir gemundet habe.
»Es war vorzüglich«, antwortest du. »Ich werde Sie überall weiterempfehlen.«
»Noch einen Kaffee, der Herr?«
»Nein danke, ich würde gern zahlen.«
Sie beginnt etwas auf einen bunten Notizzettel zu kritzeln, aber du nimmst sie in den Arm und küsst sie auf die Stirn.
»Hör mal, Caterina. Erinnerst du dich noch, dass du neulich im Restaurant gefragt hast, ob du einen Cousin hast?«
Sie überlegt einen Moment, dann hebt und senkt sie das Kinn zwei, drei Mal.
»Und wenn Mama und Papa dir statt einem Cousin ein kleines Geschwisterchen schenken würden?«
Caterina scheint nicht abgeneigt.
»Und was für eins? Einen kleinen Bruder?«
»Ja.«
»Wenn es ein Bruder ist, o. k. Macht ihr das wirklich?«
»Von mir aus gern. Vielleicht fragst du Mama einfach mal.«
»Ich hatte gar nicht drei Stunden mit ihr abgesprochen«, sagt Elisa, während sie sich mit der Zahnseide herumplagt.
»Deine Freundin Romina empfiehlt ja tolle Leute.«
»Jetzt übertreibst du aber.«
»Ich übertreibe? Wenn es mich fünfzigtausend Lire kostet,
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