Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
wenn du einen Abend arbeiten gehst …«
»Das bezahle ich schon, keine Sorge.«
»Ach ja, du verdienst ja jetzt Geld. Wie viel bekommst du denn von deiner Freundin?«
»Nun … darüber müssen wir noch reden.«
Du stehst vom Bett auf und gehst zu ihr ins Badezimmer.
»Wie bitte? Du arbeitest schon und hast noch gar nichts schriftlich?«
»Ich vertraue Romina.«
»Nein, Elisa, bei Geld und Arbeit hört das Vertrauen auf. Du hast ja keine Ahnung, wie das da draußen läuft!«
»Und wie war das Essen?«, fragst du, als sie unter die Bettdecke kriecht.
»Gut«, antwortet Elisa. »Weißt du, wen ich da getroffen habe? Teresa Crisci.«
»Welche Teresa? Doch nicht die kommunistisch-katholische Kampflesbe?«
»Dass sie lesbisch ist, behauptest auch nur du. Sie hat einen dreijährigen Sohn.«
»Ach ja? Und trägt sie immer noch Jesuslatschen?«
»Sie ist eine elegante Erscheinung und arbeitet als Assessorin im Ressort Sozialpolitik.«
Jetzt wird dir alles klar.
»War ja abzusehen, dass eine wie die sich mal um Junkies und Behinderte kümmert.«
Deine Frau seufzt innerlich. Das entgeht dir nicht, und du setzt noch eins drauf.
»Ganz schön raffiniert, unsere Teresa. Sitzt bequem auf ihrem Posten und kann trotzdem weiter die Missionarin spielen. Rasiert sie sich denn mittlerweile wenigstens den Schnurrbart?«
Elisa kehrt dir den Rücken zu, knipst ihre Nachttischlampe aus und dreht sich auf die Seite.
Du legst ihr eine Hand auf die Schulter und rückst näher.
»Ich bin todmüde«, sagt sie, ohne sich einen Millimeter zu rühren. Ohne auch nur die Augen zu öffnen.
25
D ie schöne Jahreszeit bricht an, und die Yuppies fahren ihre smarten Stadtflitzer spazieren. Sie geben sich freundlich und nett, kontrollieren aber stets, ob ich meine Arbeit mache und koscher bin. Die alternativen Bonzen bilden sich viel darauf ein, dass sie einen liberalen Umgang mit ihrer Dienerschaft pflegen.
Die schöne Jahreszeit bricht an, zwanzig Meter der Bewässerungsanlage mussten erneuert werden, und morgen kümmere ich mich um das neue Rohrgeflecht über den Autostellplätzen. Ich werde den ganzen Tag auf der Leiter stehen, das könnte problematisch werden, wegen der Tropfen. Ich rufe meinen Arzt an, aber es ist besetzt. Er ruft nie zurück.
Ich nehme nur fünf Tropfen, mache mir einen koffeinfreien Kaffee und klicke mich durch das Livestreaming der Fernsehsender. Bei der RAI sitzt Berlusconi auf einem Sessel und streckt diesem linken Journalisten, diesem Santoro, den Zeigefinger entgegen. Er kultiviert die Verbindlichkeit eines nur zu Familienfesten auftauchenden angeheirateten Verwandten und verleiht mir ein regelrechtes Glücksgefühl. Ich schließe die Augen und lasse mich wiegen vom Singsang seiner Stimme, die der des Chipseinsammlers beim Autoskooter ähnelt. Als ich die Augen wieder öffne, sitze ich nicht in meinem geräumigen Wohnzimmer in Torre del Poggio, Caterina kritzelt nicht als Pocahontas verkleidet an ihrer Zeichnung herum, und ich höre auch nicht, wie Elisa das Geschirr in die Spülmaschine räumt.
Es gibt kein Erwachen, das alles war kein Traum.
Ich bin allein. Und es sind tatsächlich zehn Jahre vergangen.
Ich setze mich nach draußen und betrachte die Olivenbäume im Mondlicht. Sie scheinen von schimmerndem Staub bedeckt. Das Meer ist nicht weit, auch wenn man es nicht sehen kann, hinter den Eisenbahnschienen, hinter den mit Planen bedeckten Dickhäutern auf der Via Aurelia und dem dunklen Schilf der Lagune. Ich sitze unter der Palme, lausche dem Summen der hohen Strommasten auf den Feldern und schaue alle paar Sekunden auf die Uhr.
Gestern habe ich es geschafft, die drei Wörter nicht auszusprechen und Caterina nicht zu verraten, wer ich bin. Und so warte ich jetzt wieder, bis es neun ist, die Zeit, zu der meine Tochter es meist schafft, sich in ihrem Versteck unter der Bettdecke einzuloggen.
Heute Abend taucht Caterina erst um zehn im Chatroom auf.
Sie haben sie zum Schwimmverein geschickt, obwohl sie sich nicht gut fühlte, erzählt sie. Vom Chlorgeruch wurde ihr so übel, dass sie ins Wasser gekotzt hat. Ein Horror. Sie hat sich wahnsinnig geschämt vor dem Bademeister, dem Trainer und ungefähr fünfzig weiteren Personen, die alle wegen ihr das Wasser verlassen mussten.
Für meine Schwägerin stand sofort fest, dass es allein Caterinas Schuld war, weil sie sich immer heimlich diese ungesunden Sachen holt. Chips, Snacks, Tacos, Knabberzeug, Fruchtgelees mit Zuckerstreuseln. Zur Strafe hat
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