Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
eingekleisterten Haarkamm und ein schwarzes T-Shirt, auf dem ein kolumbianischer Drogenhändler prangt. Beiden hängt der Gürtel bis unter den Hintern. Goldkettchenträger, die jeder Türsteher eines halbwegs passablen Clubs mit hochgezogener Augenbraue verjagen würde.
Viel Zeit habe ich nicht. Ich vermute, dass die drei nicht gleichzeitig die Zimmer oben ansteuern. Zuerst wird sie gehen, dem Portier ein Trinkgeld geben, und die Jungs werden im Abstand von ein paar Minuten nachkommen. Immer schön die Form wahren.
Als die beiden in der Toilette verschwinden, passe ich sie dort ab. Geräumige Kabinen, schwarzer Marmor, große Spiegel. Der eine pinkelt, der andere versucht eine Linie zu koksen, wie er es in irgendeinem Film gesehen hat, allerdings mit einem Fünfeuroschein. Ich rolle den Fünfhunderter, den ich eingesteckt habe, zusammen und knalle ihn dem Typen vor die Nase.
»Hör gut zu, Pablo Escobar, so einen hab ich auch noch für deinen Freund.«
Sein Freund kommt aus der Kabine und nestelt an seinem Gürtel.
»Keine Angst, deinen Hosenstall kannst du ruhig zumachen. Wenn ich es auf Schwänze abgesehen hätte, würde ich mir etwas Besseres suchen.«
Nachdem das Wichtigste geklärt ist, versuche ich mich verständlich zu machen. Das könnte schwierig werden.
»Habt ihr ein Handy mit Kamera?«
Sie glotzen mich an, geben aber keine Antwort. Ich habe keine Zeit zu verlieren, außerdem bin ich nicht scharf drauf, dass jemand die Toilettenräume betritt, während wir hier noch verhandeln.
»Ich brauche zwanzig, dreißig Sekunden von der Signora da draußen. Habt ihr jetzt so ein Handy oder nicht?«
»Wer bist du?«, fragt der Bullige.
»Wieso duzt du mich? Kennen wir uns? Wohl kaum.«
Was das angeht, scheint er mit mir einer Meinung.
»Also, in einer Stunde auf dem Parkplatz des Bingo-Casinos nebenan. Ihr bekommt den zweiten Fünfhunderter, und wir haben uns nie gesehen. Habt ihr nun so ein Scheißvideohandy, oder was?«
Pablo Escobar präsentiert irgendeinen iPhone-Abklatsch. Der andere wirkt nicht ganz überzeugt, aber die Sache ist geritzt.
»Ihr seid zu zweit, wenn ihr sie ablenkt, kriegt ihr das schon hin«, ermutige ich sie. »Und haltet nicht eure schönen Visagen vor die Linse, die interessieren mich nicht.«
Vorsorglich habe ich meinen Spider auf der anderen Seite der ehemaligen Schuhfabrik geparkt, in der nun ein Freizeit-Center für Vergnügungen aller Art residiert. Die beiden Dumpfbacken lassen auf sich warten, und mein Vorrat an lässigen Haltungen, die man einnehmen kann, wenn man nachts auf einem Parkplatz umherstreunt, ist längst aufgebraucht.
Als ich schnelles Absatzgeklapper höre, mache ich mich dünn und tu so, als suchte ich mein Auto. Nur der Widerschein der roten Neonreklame mit der Aufschrift »Don Giovanni« und das grüne »Samstags Salsa« beleuchtet den Parkplatz.
Eine Gestalt im Trenchcoat, die ich nicht kenne, stellt sich mir in den Weg.
Dass die beiden so dämlich sein könnten, hätte ich nicht für möglich gehalten. Oder so schlau, was aber jetzt keinen großen Unterschied mehr macht.
Auch meine Schwägerin erkennt mich nicht sofort. Abgesehen von der Dunkelheit hinterlassen zehn Jahre ihre Spuren, der aschgraue Bart und die Ponyfransen erledigen den Rest. Aber selbst, als sie kapiert hat, wer ich bin, hütet sie sich davor, meinen Namen auszusprechen. Er klemmt ihr zwischen den Zähnen wie ein Bissen, den sie nicht ausspucken kann.
Tatsächlich sagt sie ihn kein einziges Mal.
In ihrem folgenden Sermon nennt sie mich nur Hund, räudiger Hund, Bastard.
»Was willst du damit erreichen, du Bastard? Wen willst du denn noch zugrunde richten?«
»Wenn du unserem Haus auch nur einmal zu nah kommst, kannst du was erleben! Mariano bringt dich um wie einen räudigen Hund. Das hat er geschworen! Und er tut es!«
Er tut es, er tut es , sagt sie wieder und wieder.
»Von mir erfährt er nichts, keine Angst. Und weißt du, warum? Ich will nicht, dass mein Mann ins Gefängnis wandert, weil er einen Hund wie dich umgebracht hat.«
Einen Moment später kommt sie zu der Einsicht, dass ich weniger wert sei als ein Hund, denn Hunde seien schließlich gutmütig. Ich solle mich von ihrer Familie fernhalten, brüllt sie und lässt mich gar nicht zu Wort kommen, wobei ich dieser Furie eh nichts zu sagen habe. Ich gehe zum Parkplatz des Bingo-Casinos, doch sie weicht mir nicht von der Seite.
Als ich plötzlich stehen bleibe, kann ich nur durch einen Ausfallschritt verhindern,
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