Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
erlaubst du dir, brüllt sie zurück, und zwar lauter als du. So laut, dass du hinter diesem rauen Schrei die Stimme deiner Frau gar nicht mehr erkennst.
»Nur zu, damit es auch alle hören.«
Hier hört eh niemand was, fährt sie fort. Die Nachbarn nebenan hätten verkauft, und die von gegenüber kämen nur am Wochenende. Du habest doch hier leben wollen, fernab von allem. Es sei deine Idee gewesen, kein Haus zu kaufen, in dem vorher schon jemand gewohnt hat.
»Du wolltest ein Haus, das genauso unberührt ist wie ich«, stichelt sie.
Diese Zickigkeit ist gar nicht Elisas Art. Was nur bestätigt, dass jemand anders aus ihr spricht.
Und sie ist noch nicht fertig. Sie schimpft auf dich und diesen gottverlassenen Ort, wo man nur zwei Kanäle empfangen konnte, als sie nach Caterinas Geburt alleine daheim hockte. Von morgens bis abends mutterseelenallein, kaum auszuhalten. Sie schimpft auf dich und deinen spleenigen Wunsch nach einem hübschen Gärtchen, das nun sie pflegen müsse, und einem überdachten Stellplatz für diese alte Scheißkarre, die man nirgends auf der Straße stehen lassen kann, auf gar keinen Fall, da braucht man schon eine Garage. Nicht einmal nach Caterinas Geburt wolltest du auf ihre Argumente für den Kauf eines ordentlichen, praktischen, richtigen Autos hören. Jedes Mal musstest du den Kinderwagen komplett auseinanderbauen, damit er in diesen Toaster von Kofferraum passte. Euer ganzes Leben habe sich dieser Schrottmühle untergeordnet, die sie nicht einmal fahren dürfe.
»Das ist doch nicht normal, Furio.«
»Als wir mit dem Spider an die Côte d’Azur gefahren sind, warst du noch ganz anderer Meinung, da gefiel er dir nämlich.«
»Du hast überhaupt nichts verstanden!«, schreit sie dir ins Gesicht. Das Auto sei nur ein Beispiel dafür, wie du rings um sie herum für verbrannte Erde gesorgt hättest.
»Ich?«
»Ja, du. Von Anfang an!«, bezichtigt sie dich und streckt dir einen perfekt manikürten, glänzend rot lackierten Finger entgegen.
Diese Arschkuh von Teresa Crisci. Von der war ja nichts anderes zu erwarten.
Nach fast zehn Jahren hat Elisa sie im Wahlkampfteam von Romina wiedergetroffen. Sie haben ein bisschen erzählt und sind dabei auch auf dieses Fest zu sprechen gekommen. Die berühmte Abifeier bei den Dominis, die von der gesamten Klasse boykottiert worden war.
»Das war alles deine Idee! Du hast alle überredet, nicht zu kommen! Was für ein lustiger Streich! ›Mal gucken, was die dumme Domini dann macht!‹ Genau das waren deine Worte!«
Du versuchst alles abzustreiten, aber diese Schlampe von Crisci hat dafür gesorgt, dass sie mit zwei weiteren Ehemaligen darüber spricht. Und deren Aussagen stimmen auch nach all den Jahren völlig überein: Du hattest den Plan ausgeheckt und bist dann als Einziger doch hingegangen. Elisa zwingt dich zum Gegenangriff.
Du gibst zu, Urheber des Streichs gewesen zu sein, hättest es aber nie für möglich gehalten, dass die ganze Klasse dir folgt.
»Hat Teresa Crisci dir auch verraten, warum alle damit einverstanden waren? Meinst du, es war schwer, die anderen zu überzeugen? Ganz im Gegenteil, Elisa. Und weißt du warum?«
»Lass hören.«
»Weil keiner dich leiden konnte! Weil dein Vater meinte, beim Elternabend herumkommandieren zu müssen, und weil deine Mutter mit Schmuck behängt war wie ein Christbaum, wenn sie zur Sprechstunde ging. Weil dein Bruder der Klassenbeste gewesen war und die Lehrer immer noch von Mariano Domini schwärmten.«
Du lässt ihr kaum Zeit für ein sinnloses: »Stimmt doch gar nicht.«
»Und ob es stimmt! Leider war die arme Elisa nicht ganz auf seiner Höhe. Selbst wenn du jeden Nachmittag mit Pauken verbracht hättest, wärst du nie an ihn herangekommen. Niemals! Hübsch, aber nichts in der Birne! Alle haben das gesagt, alle! Am lautesten die liebe Teresa Crisci, die Kommunistin, die Intellektuelle … Was denkst denn du?«
Elisa muss sich entscheiden, was schlimmer ist: dir zu glauben oder dich als Lügner zu beschimpfen.
»Wenn du wüsstest, was für Sorgen dein Vati sich gemacht hat! Was soll ich nur mit diesem Dummchen anfangen, dachte er. Nicht dass sie noch in der Modebranche landet, unter Schwuchteln, Huren und Süchtigen. Oder dass sie mit dreißig reif ist für die Klapse und einen Seelenklempner nach dem anderen verschleißt. Was für eine Schande, wie unangenehm! Vater eines so hübschen Mädchens, ausgerechnet er, der sich nicht mal als Millionär ein schönes Haus gebaut hätte,
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