Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
aus Angst vor dem Neid der anderen! Dem Neid von Frömmlern, Mittelmäßigen und Nörglern, wie er selbst einer ist. Wie ihr alle es seid!«
»Du solltest meiner Familie dankbar sein. Du warst ein Niemand, als du mich geheiratet hast. Aber nein …«
Und jetzt macht Elisa einen Fehler. Sie macht den Fehler, ihre Hände auf deinen Hemdkragen zu legen. Deshalb kann sie sich nicht schützen, als du ihr die Ohrfeige verpasst. Deine Hand erwischt sie mit voller Wucht, und du spürst das kalte Metall ihres Ohrrings an deinen Fingern. Nur deshalb, sagst du dir. Ihr Gesicht verschwindet nur ganz kurz hinter ihren Locken, daher bist du überzeugt, nicht sehr kräftig zugeschlagen zu haben, und schon gar nicht mit böser Absicht. Eigentlich war es mehr eine Geste der Unduldsamkeit. Wenn Elisa sich nur mit einer Hand geschützt hätte, statt dich am Hemd zu packen. Dumme Elisa, ungeschickt wie immer.
Elisa weint heftig. Du könntest es dabei bewenden lassen, aber das wäre ein Fehler. Der Sache muss eine Ende bereitet werden, ein für alle Mal.
Also setzt du dich an den Esstisch mit Platz für acht Personen, die vielen Freunde etwa, die ihr einladen wolltet, dann aber nie hattet. Du forderst sie auf, sich zu dir zu setzen und legst ihr die Mappe mit den Rechnungen hin, die du sortiert hast. Darunter sind auch ein paar Mahnungen, die Elisa ganz hinten in einer Schublade vergraben hatte und für die nun zusätzliche Gebühren und Zinsen anfallen. Alles zum Fenster rausgeschmissenes Geld.
Dann türmst du einen Stapel Papier vor ihr auf, Zeitschriften über Wohndesign, Wellness, die moderne Frau, Gartenpflanzen und einfache Gemüsegerichte. Die zwanzig Kilo Hochglanzmagazine waren wohl ihr Versuch, den Anforderungen als Ehefrau zu genügen. Ein halbherziger Versuch, denn die meisten sind noch eingeschweißt. Du zeigst ihr Kleidung und Spielsachen für Caterina, die nie ausgepackt wurden. Überflüssige Launen. Du hältst ihr die Videokassette von Harry und Sally unter die Nase. Vor Wochen hätte sie die schon zurückgeben müssen, die Leihgebühr wird doppelt so hoch sein wie der Kaufpreis.
Das müsste reichen. Elisa wird sich entschuldigen und zugeben, manchmal selbst nicht recht zu wissen, was sie eigentlich will. Die Wahrheit ist, dass sie das nie gewusst hat. Aber dafür gibt es ja dich. Du bist bei Elisa, damit sie sich nicht verliert.
»Pack das Zeug in einen Müllsack, dann spenden wir es irgendwem. Ich geh jetzt die Seitenspiegel montieren, schließlich habe ich auch mal das Anrecht auf ein bisschen Zeit für mich, verdammt.«
Nein, das kann doch nicht wahr sein.
Sie haben dir grässliche schwarze Kunststoffspiegel geschickt. Weil sie den Produktcode verwechselt haben, hast du Spiegel für die vierte Spider-Serie bekommen statt für deine .
Diese Achtzigerjahreteile kannst du unmöglich an deinen Spider »coda tronca«, Baujahr 1970, montieren. Du müsstest vier Löcher in die Karosserie bohren, außerdem wäre es eine historische Verfälschung.
In drei Tagen statten die Gutachter dir einen Besuch ab. Das war es dann wohl. Ohne die runden Originalspiegel aus Aluminium, die du in der Bestellung übrigens völlig korrekt angegeben hattest, wirst du die Oldtimer-Plakette nicht bekommen. Nach so vielen Mühen, so viel Geld, nichts. Schluss, aus.
Du rammst den Schraubenzieher in die Sperrholzplatte des Werkzeugtischs, schmeißt die abartigen schwarzen Seitenspiegel auf den Boden und gehst ins Haus, um das kabellose Telefon zu holen.
Auf dem Esstisch liegt immer noch das ganze Zeug. Deine Frau steht vor dem Fernseher.
Und jetzt gibt es für dich keinen Zweifel mehr, dass irgendwer deine Frau einer Gehirnwäsche unterzogen hat.
Elisa sieht dich an, putzt sich die Nase mit einem zerfledderten Papiertaschentuch. Sie guckt Harry und Sally .
»Den haben wir zusammen im Kino gesehen, als wir noch kein Paar waren«, sagt sie.
Du machst sie darauf aufmerksam, dass du sogar noch das Datum weißt: 18. August. Das war der Sommer nach dem Abitur. Der einzige richtige Sommer im Leben eines jeden Menschen. Damals stand euer Haus noch nicht, und Caterina war noch nicht auf der Welt. Es gab noch so viel zu sehen und zu erleben, das kann doch nicht alles schon vorbei sein.
Elisa kneift die Lippen zusammen und tupft sich die Tränen ab, bevor sie ihr über die Wange rollen. Der Anblick lässt eine Zärtlichkeit in dir aufflammen, die von weit herkommt und dir die Luft zum Atmen nimmt.
»Den ersten Kuss hatten wir uns aber schon
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