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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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nur, daß ein Mann es eben nie begreifen werde, was Hausfrauenarbeit sei und was solch eine Umstellung im Haushalt für Arbeit mache.
    »Nun ja«, sagte Lutz feige, »ich habe eben einen runden Termin genannt. Wenn Sie natürlich früher fertig sind...« Er schloß mit einer zappelnden Geste und wäre in diesem Augenblick, wenn er nicht die Augen der Kinder in seinem Gesicht gespürt hätte, zu jedem Rückzug und Verrat bereit gewesen. Aber Frau Roeckel schnitt ihm den Fluchtweg ab.
    »Bleiben wir einmal bei vier Wochen«, meinte sie sanft, und mit einem Tröpfchen säuerlicher Bosheit in der Stimme fügte sie hinzu, daß die Kinder ja selbst ihre Neigung für ihren Onkel Lutz offenbart hätten und daß ihnen die kleine Abwechslung nach all dem, was sie in diesen Tagen durchgemacht hätten, wohl zu gönnen sei.
    »Ob's da a Schul gibt, wo du wohnen tust, ha?« fragte der Rudi mißtrauisch.
    »O mei', der Depp weiß halt nicht«, sagte seine Schwester in einer merkwürdigen Mischung von Dialekt und Hochdeutsch, das sie sich ihres Onkels wegen zu sprechen bemühte, »daß mir z'wegen den Trauerfall bis zu die Ostervakanz beurlaubt san, und bis dahin sans volle acht Täg, und nacha hamma zwei Wochen Ferien. Akrat bis zum achtundzwanzigsten Aprui—April!«
    »I gib dir gleich an Deppen! Krampfhenna, damische!« sagte der Rudi giftig und schien nicht übel Lust zu haben, seiner Schwester einen Tritt ins Schienbein zu versetzen.
    Reizende Kinder! Und ihr Deutsch. Einfach grauenhaft! Lutz schmerzten die Ohren. — Es war offenbar, daß seine Schwester Hertha in ihrer Geschäftigkeit und unter dem Zwang, die täglichen Brötchen herbeizuschaffen, nicht allzuviel Zeit gefunden hatte, sich um ihre Sprößlinge zu kümmern. Aber Lutz war sich nicht sicher, ob er — wenn auch nur für vier Wochen — mehr Zeit für die Kinder finden würde, und wenn er sie schon fand, ob er das geringste Erziehungstalent besaß. Es war zu befürchten, daß er sie in einem Zustand völliger Verwilderung in Coburg abliefern würde. Und irgendwie beruhigte ihn der Gedanke, daß die beiden Gören bei den Roeckels vielleicht nicht die große Liebe, aber sicherlich ein Zuhause und eine Zügelhand finden würden, die etwas strenger als seine eigene war.
    Und wenn dieser Trost ein frommer Selbstbetrug ist, sagte er sieh und fühlte sich nicht ganz wohl dabei — dann betrüge ich mich wenigstens mit vollendeter Geschicklichkeit. —
    Friedrich Roeckel unterbrach ihn in seinen Gedankengängen.
    »Wo wohnen Sie hier? — Wir haben uns im >Weißen Lamm< einquartiert, gut und ziemlich billig. Wir werden dort auch zu Abend essen, der Schweinebraten ist prima prima, und dein Kalbsbraten war doch auch tadellos, wie, Ulrike?«
    »Ich habe noch kein Hotel«, sagte Lutz ein wenig unbehaglich. Damit hatte er eigentlich nicht gerechnet. Im Geist überschlug er seinen Kassenbestand und rechnete sich aus, daß das, was ihm nach Abzug von Zimmerpreis und Essen übrigblieb, gerade noch für die Rückfahrt bis etwa nach Nürnberg reichen würde. Nun ja, es wäre nicht das erstemal gewesen, daß er das Transportproblem sehr einfach auf dem Wege des »Anhalters« löste. Irgendeine mitleidige Seele hinter dem Steuer eines Fernlasters oder Personenwagens fand man ja immer. Trotzdem blieb es ein Problem, aber Traudl löste den Knoten.
    »Ha, Onkel Lutz, und wenn du in Muttis Bett schlafen tätst? Es ist frisch überzogen. Und der Rudi tut sich immer fürchten.«
    »Ha«, sagte der Bub, »selber hats am meisten Schiß!«
    Lutz überlegte nicht lange.
    »Gut, Kinder, ich bleibe bei euch. Auf diese Weise gewöhnen wir uns gleich aneinander. Und dafür lade ich euch heute abend zum Essen ins >Weiße Lamm< ein.«
    Der Rudi leckte sich die Lippen: »Da eß ich ein' Schweinsbraten mit Knödel und trink an Sprudel.«
    »Und ich bestell mir ein Ochsenkron in der Rahmsoß, wenn ich derf.«
    »Freilich darfst du, Traudl.«
    »Ochsenkron«, sagte Herr Roeckel lüstern, »daran habe ich wahrhaftig nicht gedacht. Das ist eine gute Idee! Und überhaupt, wie wär's, wenn wir aufbrächen — um es rundheraus zu sagen, ich hab' einen Mordshunger.«

V I E R T E S K A P I T E L

    Während sich die Roeckels im Laden die Mäntel anzogen, pirschte sich Traudl im Zimmer an Lutz heran. Sie flüsterte ihm zu, daß sie abends im Bett mit ihm noch etwas sehr Wichtiges zu besprechen hätte, aber erst, wenn der Rudi eingeschlafen sei — »weißt, Onkel Lutz«, fügte sie hinzu, »weil er halt doch

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