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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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womöglich, du hast doch etwas mit Kunst zu tun. Ich habe ihm gerade klargemacht, daß Schriftsteller ein ehrenwerter Beruf ist wie jeder andere auch, und ich glaube, ich habe ihn sogar davon überzeugt. Übrigens las er neulich in einer Zeitung, was Graham Greene mit dem >Dritten Mann< verdient hat. Das hat ihn außerordentlich beruhigt.«
    »Wie wäre es, wenn du vielleicht doch lieber Herrn Graham Greene heiraten würdest«, schlug er vor, aber sie war mit dem Sperling in der Hand zufrieden. — Als sie den Tisch deckte, stellte sie drei Kaffeetassen und drei Kuchenteller auf.
    »Was soll das, mein Liebling?« fragte er ein wenig verblüfft.
    »Oh, ich habe Luigi Rogatti gebeten, zum Kaffee einmal auf einen Sprung nach Hallfeld hinauszukommen — du kennst ihn doch? Du warst doch schon ein paarmal mit ihm zusammen?«
    »Ja, gewiß — aber was in Gottes Namen soll er hier?«
    »Er soll mir ein wenig helfen. Du weißt doch, Lutz, er hat als Innenarchitekt wirklich einen guten Namen und viel Geschmack. Und außerdem hat er gute Verbindungen zu allen möglichen Antiquitätenhändlern.«
    Lutz erstarrte. Es dauerte Sekunden, ehe er die Sprache wiederfand. »Sag einmal, du willst doch nicht etwa...«
    »Natürlich will ich«, unterbrach sie ihn liebenswürdig, »natürlich will ich mir ein Badezimmer einrichten lassen und mein Zimmer so hübsch wie möglich einrichten. Und daß sich auch aus deinem Arbeitsraum etwas machen läßt, das wirst du doch selber zugeben müssen. Diese Bauernschränke und bunten
    Truhen sind ja ganz hübsch, aber repräsentativ sind sie wahrhaftig nicht. Und schau, Lutz, du wirst doch einmal Leute empfangen müssen, die du brauchst — Verleger, Kritiker, Filmproduzenten.« (Er machte ein Gesicht, als bekäme er Hammerschläge auf den Kopf.) »Ich habe da bei Büchner wundervolle alte Möbel gesehen, prachtvolle hohe Refektoriumsstühle mit antikem, kardinalrotem Seidenbrokat überzogen — und einen Barockschrank...!« Sie spitzte die Lippen und warf mit den Fingerspitzen einen kleinen Kuß an die Decke.
    Repräsentativ! Von allem war ein einziges Wort in seinen Ohren hängengeblieben: repräsentativ. Zum Teufel! Und: Verleger, Kritiker, Filmproduzenten! Dieses Mädchen wurde offenbar wahnsinnig!
    Und das Schellen der Glocke ertönte vielleicht zur rechten Zeit, um den Ausbruch des ersten vorehelichen Gewitters zu verhüten. Jedenfalls klappte Lutz den Mund zu und schloß die Tür hinter sich. Er schloß sie ziemlich unsanft. Es war nicht ganz unvorsichtig, denn das alte Gemäuer vertrug keine allzu großen Erschütterungen. Auch dieses Mal löste sich oben ein Mauerbrocken und klopfte warnend auf die Zimmerdecke. Aber Lutz hatte sein inneres Gleichgewicht wiedergefunden, als er Rogatti öffnete.
    Rogatti war Innenarchitekt, aber vor allen Dingen war er Schweizer, und zwar einer von der ganz langsamen Sorte. Er sprach einen mit Rachenlauten gespickten Dialekt, und er sprach ihn, als erklömme er mit Mauerhaken und Seilsicherung die Berge seiner Heimat. Lutz entsann sich eines Abends, an dem Rogatti für den aufregenden Bericht eines an ihm verübten Manteldiebstahls vier volle Stunden gebraucht hatte. Das heißt, es wären sechs Stunden geworden, wenn die Zuhörer sich nicht geeinigt und Rogatti und seine Rachenlaute gewaltsam unter Kissen erstickt hätten. Lutz befürchtete auch heute ähnliche Attentate auf seine Nerven. Aber Rogatti begnügte sich nach dem Handkuß, den er Margot applizierte, damit, sich im Turm umzuschauen, befriedigte Knurrlaute von sich zu geben, mit dem Knöchel respektvoll gegen das uralte Deckengebälk zu klopfen, und zum Kaffee fünf Stücke Kuchen zu verzehren.
    »Nun, Herr Rogatti«, fragte Margot schließlich ein wenig nervös, »was sagen Sie zu dem alten Turm, und was meinen Sie, was man daraus machen könnte?«
    Rogatti rülpste diskret hinter der Hand, erhob sich, strich wiederum an den Möbeln entlang, untersuchte mit der Faust die Federung des Diwans, blies den gelben Staub ab, den ein Holzwurm auf der türkisgrünen Truhe von 1783 neben seinem Bohrloch aufgehäuft hatte, und sagte schließlich: »'s ischt riächt so, grad riächt, ich hätt's nikcht besser einrikchten können. Wo hams die schönen Baurenschränkch her, Herr Ventura?«
    Lutz konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.
    »Aber die Kammer, Herr Rogatti, die Kammer!« rief Margot empört.
    »Da schmeißens halt das alte wurmzerfressene Gelump heraus und kaufens das alte Zeugl, das wir angeschaut

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