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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Gesprächsthema sind.«
    »Nein, das wußte ich wirklich nicht. — Glaubt man wenigstens, daß es die Kinder meiner verstorbenen Schwester sind?« fragte er ironisch.
    »Auch das wurde im Anfang bezweifelt«, gestand sie ein und zögerte ein wenig, »nun ja, in solch kleinen Nestern hat man eben eine unbezwingliche Neigung für Romantik.«
    Er lachte hellauf.
    »So, so, Romantik nennt man das hier. Das haben Sie hübsch gesagt. Diese Wendung werde ich mir auf alle Fälle merken. — Aber es wäre nett von Ihnen, wenn Sie etwas für die Wiederherstellung meines guten Rufs tun würden.«
    »Oh, das habe ich bereits getan. Ich kenne ja das Schicksal der Kinder aus den Schulakten.«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen. — Wahrscheinlich weiß dann die ganze Stadt auch, daß ich verlobt war und daß diese Verlobung in die Brüche gegangen ist, wie?«
    »Natürlich weiß man das.«
    »Zu merkwürdig. Wenn Sie mich fragen, wie die Leute heißen, die in den drei Häusern dicht um den Turm herum wohnen — ich habe keine Ahnung!«
    »Sie sind schließlich auch kein Hallfelder.«
    »Das ist allerdings wahr.«
    »Aber ich bin Hallfelderin, sehen Sie, und ich bin neugierig, was hier passiert. Immerhin werden Sie mir zugeben müssen, daß die Geschichte, wie Sie die Kinder geholt und zu sich genommen haben, wie sie fort kamen und dann von Coburg ausrückten...«
    »... und wie meine Verlobung der Kinder wegen auseinanderging!« warf er ein.
    »... nicht gerade alltäglich ist. — Stehen Sie übrigens mit Margot noch in Verbindung?«
    »Nein. — Aber wie kommen Sie zu der Frage? Kennen Sie Fräulein Sonnemann?«
    »Wir waren auf der gleichen Schule. Allerdings war Margot zwei Klassen weiter als ich. — Aber wir müssen uns jetzt trennen. Grüßen Sie den Rudi schön von mir und sagen Sie ihm, daß ich ihn besuchen werde. Hoffentlich ist alles nicht so schlimm, wie es aussieht!« Sie reichte ihm die Hand.
    »Hören Sie«, sagte er etwas überstürzt, »ich habe mich seit langer Zeit nicht mehr so angeregt unterhalten. Ich bin an sich ein wenig menschenscheu. Und die Ereignisse der letzten Zeit haben dazu beigetragen, mich noch mehr einzukapseln. Darf ich dem Rudi sagen, daß Sie ihn einmal im Turm besuchen werden, wenn er da auf seinem Schmerzenslager liegt, ja? Und mein Kaffee ist weithin berühmt, er ist wirklich gut, davon verstehe ich etwas.«
    »Dafür, daß Sie menschenscheu sind, sprechen Sie eigentlich ziemlich geläufig, Herr Ventura. Und im übrigen gehört es zu meinen Berufspflichten, erkrankte Kinder meiner Klasse zu besuchen. Weshalb sollte ich da mit dem Rudi eine Ausnahme machen? In diesem Sinne also: auf Wiedersehn.«
    Er hielt sie noch eine Sekunde an der Hand fest: »Beantworten Sie mir noch eine Frage! Was mögen Sie lieber: Sarah=Bernhardt=Törtchen oder Eclairs?«
    »Gedeckten Apfelkuchen mit Schlagrahm. — Aber nun lassen Sie mich gehen! Es genügt, wenn der Stadtklatsch sich mit Ihnen allein beschäftigt!« — Sie lief über die Straße und verschwand hinter dem spiräeüberrankten Eingangsbogen zum Schulhof. Blondes Haar mit metallischen Reflexen, ein blaues Kleid mit weißen Punkten, ein weiter Rock, der im Rhythmus ihres Schritts glockig um schlanke, braune Beine schwang, und ein Gesicht, in dem unter den lebhafter gefärbten Jochbögen der Wangen sanfte Höhlungen in verlockenden Schatten lagen. Ein reizendes Mädchen! Und bezaubernd humorvoll und natürlich! Zwei Jahre jünger als Margot, also etwa dreiundzwanzig. Und mit Brüdern aufgewachsen — das merkte man doch sofort! Wie sie wohl mit Vornamen heißen mochte? Sie hatte etwas an sich, als ob sie Helga heißen könne. Aber ihr Jahrgang lag wohl noch vor der Zeit der tausendfältigen Helgas und Wibkes und Silkes. Vielleicht wußte es der Rudi. Aber was ging es ihn schließlich an, wie dieses Mädchen mit Vornamen hieß! Für solche Spekulationen war der Turm zu eng! Das hatte sich ja schon einmal herausgestellt.
    Der Knabe Rudi lag, als Lutz im Krankenhaus eintraf, noch auf dem schwarzen Wachstuchdiwan im Ordinationszimmer des Chefarztes. Bei der Durchleuchtung hatte sich ein Bruch im Mittelfuß nicht feststellen lassen. Doch wartete der Arzt noch das Ergebnis der Röntgenaufnahme ab. Die Schmerzen schienen nicht allzu groß zu sein. Aber das Bein sah bis zum Kniegelenk herauf sehr böse aus. Es war durch den starken Bluterguß unförmig angeschwollen. Vorläufig wurde es mit kalten Umschlägen behandelt. In Gips konnte es erst gelegt

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