Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)
zustande kommt.
Kurz schaut sich der Mann im IRC 76 in den Dateien mit dem Ausrufungszeichen die angebotenen Kinderpornos an und blättert ein wenig in den THULE-Mailboxen.
Zufrieden sieht er sich dann in seinem Büro um: In diesen Räumen gibt es keinerlei schriftliche Aufzeichnungen. Alles Hightech, Lichtjahre weiter als jede deutsche SoKo. Sämtliche Daten und Videosequenzen sind verschlüsselt. Außerdem verfügt das System über ein UPS, einen uninterruptible power supply, zum Herausfiltern von Störimpulsen und Spannungsspitzen. Das hat sich als äußerst sinnvoll erwiesen, denn auch der Gegner hat inzwischen dazugelernt: Einem aus der mittleren Ebene hatte man die Steuerfahndung auf den Hals geschickt. Diese Jungs tragen weg, was ihnen unter die Finger kommt, außerdem hatten sie vor Betreten des Hauses die Stromzufuhr unterbrochen, der Computer war zusammengebrochen, und die Daten konnten nicht mehr rechtzeitig verschlüsselt werden.
Als das Datenbanksystem jetzt auf dem Bildschirm erscheint, fügt der Mann unter »A« der Datei »Albrecht, Rolf. dbs« die Buchstaben AE hinzu. Sie stehen für »accident« und»exitus«. Rolf Albrecht war kürzlich bei einem Autounfall ums Leben gekommen, hatte noch nicht einmal Schuld gehabt, jemand anders war in ihn hineingerast, beide noch am Unfallort verstorben.
Dann zieht der Mann eine Backup-Datei auf Band. Den Folder mit der Originaldatei zieht er mit der Maus über den Bildschirm zum Papierkorb in der linken unteren Ecke. Eine kleine Flamme erscheint im Papierkorb. »Datensatz gelöscht«, sagt der Mann zufrieden. 77
SIE SIND WIEDER DA
»Wenn alles, was Überlebende satanistischer Kulte uns erzählen, falsch ist, sind wir auf ein Phänomen gestoßen, das es wert ist, intensiv erforscht zu werden, und es wird uns eine Ehre sein, es zu erforschen.
Wenn aber nur ein kleiner Teil von dem, was diese Patienten uns erzählen, wahr ist, sind wir auf ein absolut grauenvolles Phänomen gestoßen, und wir sind verpflichtet, es zu erforschen.«
Walter Young, 1990 »Presidentʼs Report« ISSD 78
E s klingelte. Gleichzeitig brannten die Béchamelkartoffeln an. Tür oder Kartoffeln? Es hatte ganz zart geklingelt, so wie nur Nina Temberg das konnte. Elisabeth Gebhard entschied sich für die Tür.
Als sie öffnete, stand Nina davor. Sprachlos. Irgendetwas war geschehen.
Als sie in die Küche kamen, empfingen die Béchamelkartoffeln Elisabeth und Nina mit zartem Knistern und scharfem Geruch.
Mist, dachte Elisabeth Gebhard, doch sie sagte es nicht.
Das Gericht hatte ohnehin seinen Zauber verloren in der letzten Stunde, in der Elisabeth hier gesessen und mit – anfangs – überaus leckeren Speisen auf Nina gewartet hatte.
»Wir können ja Käse essen«, sagte Nina Temberg, die zerkochte und angebrannte Mahlzeit konstatierend, ohne sie jedoch zu thematisieren. »Aber eigentlich hab ich gar keinen Hunger.«
»Ein Glas Wein? Wie war es denn?«, fragte Elisabeth, öffnete das Fenster und die Flasche und dachte, wenigstens »tut mir leid« könnte sie ja sagen.
»Das wäre schön. Ach, es tut mir ja so leid, Li.« Nina setzte sich und seufzte lange. Bitte frag nicht, hieß das, ich erzählʼs schon noch.
Elisabeth fragte nicht. Sie wartete. Holte zwei Weingläser aus dem Schrank. Stellte eines vor Nina. Goss ihr ein. Stellte ein leeres Glas vor sich.
Nina nahm einen Schluck Wein, biss ein kleines Stückchen Weißbrot ab und sagte dann, fast nebenbei: »Heute waren sie wieder vor meiner Praxis.«
Sie versuchte, es so belanglos klingen zu lassen, als hätte sie gerade bemerkt, die Fenster könnten wohl auch mal wieder geputzt werden. Dabei sprach sie von möglicher Entführung, Erpressung, Körperverletzung, von Morddrohungen.
Elisabeth war kurz davor, auszurasten. Nein, sagte sie sich, nimm dich zusammen! Du darfst nicht ausrasten! Sie holte zweimal sehr tief Luft, zwang sich ruhig zu atmen, langsam zu sprechen und machte bewusst eine Pause nach jedem Satz: »Das kannst du nicht zulassen … die Täter vor der Tür … wir wissen, dass sie Frau L. zurückholen wollen … aber sie gefährden doch auch alle anderen Patientinnen … sie gefährden dich … hast du wenigstens die Autonummern?«
An Ninas Schweigen konnte sie die Antwort ablesen. Innerlich raufte Elisabeth sich die Haare, stampfte mit den Füßen und schmiss den Küchentisch um.
Äußerlich ruhig sagte sie: »Nina, das sind Killer. Das weißt du doch. Das sind Menschen, die aus allen möglichen Gründen
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