Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)
Angela bestreitet bis heute entschieden, mit derartigen Unternehmungen etwas zu tun gehabt zu haben. Von diesen Ausflügen kommen die Kinder meist sehr müde zurück. Aber das alles weiß Rolf Albrecht nicht.
Am Tag nach dem Treffen mit den Männern zerreißt Rolf Albrecht seine eigenen Notizen über Tobias Bergdorff.
Von ganz oben ist der Antrag auf therapeutische Begleitung für Tobias zurückgekommen. Er wurde abgelehnt. Aber das spielt jetzt sowieso keine Rolle mehr. Drei Tage später reicht Rolf die Akte des kleinen Tobias mit folgendem Begleitschreiben an das Vormundschaftsgericht weiter:
»Am 13. September erschien Frau Bergdorff, die Mutter des Tobias, hier und berichtete in anscheinend überzogener und nicht glaubwürdiger Weise über angebliche Übergriffe, die ihr geschiedener Mann auf Tobias begangen haben solle. Sie behauptete außerdem, dass weitere Personen daran beteiligt gewesen sein sollen.
Die Nachfragen im Kindergarten ergeben keine Auffälligkeiten. Die Äußerungen der Leiterin ließen zudem eher Zweifel an der psychischen Verfassung von Frau Bergdorff aufkommen. Die Beziehung zum Vater hingegen wird als stabil und positiv geschildert.
Herr Bergdorff – Sachgebietsleiter im Finanzamt – ist seit Jahren verbeamtet und genießt an seinem Arbeitsplatz einen untadeligen Ruf. Da Herr Bergdorff kürzlich wieder geheiratet hat, könnte angenommen werden, dass die Anschuldigungen seiner geschiedenen Frau unbewältigten eigenen Gefühlen entspringen. Frau Bergdorff machte außerdem – und nicht zum ersten Mal – einen stark alkoholisierten Eindruck. Aufgrund ihres Auftretens und ihrer wirren und widersprüchlichen Aussagen erscheint es im Interesse des Kindeswohls angemessen, Tobias in die Familie seines Vaters zu geben. Diese Familie erscheint besonders geeignet, da die jetzige Ehefrau von Herrn Bergdorff nicht berufstätig und die Mutter eines vierjährigen Mädchens ist. Somit sind die Rahmenbedingungen für eine adäquate Versorgung, Betreuung und Erziehung von Tobias in besonderem Maße gewährleistet.«
Dieser Empfehlung folgt dann auch der Vormundschaftsrichter.
5. November 1983
»Geschäft läuft«, denkt der Mann, der einige hundert Kilometer von Rolf Albrecht entfernt auf die Tastatur seiner PRIME 400 einhämmert. »Wieder fünf Datensätze erfasst. Schauen wir mal, wie viel Platz wir noch haben.« Seine Ausrüstung ist beachtlich: 2 MegaByte Hauptspeicher, eine Platte mit 80 MB, zwei Wechsel-Platten zu je 6 MB. »Kein Problem«, stellt er dann auch fest, »noch 70 von 80 MB frei.« 75 Danngibt er zum vorhandenen Datensatz »Albrecht, Rolf« noch die Buchstaben VUOINS ein. Das bedeutet, dass von Rolf Albrecht ein Video angefertigt worden ist, seine Unterschrift auf dem Schuldgeständnis vorliegt, weitere Druckmöglichkeiten offen, aber noch nicht genutzt sind, dass er als instabil eingeschätzt wird, weiterhin nützlich und möglicherweise suizidal sei.
»Satan sei Dank«, denkt der Mann, »Datex-P ist heute etwas stabiler als sonst.« Alle paar Tage bricht die Leitung zusammen, und ständig muss er die entsprechenden Sachbearbeiter bei der Post auf Trab bringen. Aber heute flutscht es, und alle Datensätze werden mit Schwung, das heißt mit 1200 Zeichen pro Sekunde, nach München transferiert und dort ebenfalls gespeichert.
Der Mann fährt das System herunter und schaltet den Computer ab. Dann stößt er sich zufrieden in seinem Rollsessel vom Schreibtisch ab. Nun kann er endlich nach Hause, um sich nach einem kleinen Imbiss mit seiner Frau endlich auf den Weg zu machen. Ein Treffen ist vorbereitet worden, Empfang mit Geschäftsfreuden, wie er es grinsend bei sich nennt. Offiziell OSE, ohne Kinder. Jetzt noch den Poststecker ziehen, das ist wichtig. Das Sicherheitsrisiko beim Datentransfer schätzt er zwar als relativ gering ein. Jedenfalls im Vergleich zum Nutzen des diskreten Transports und der sofortigen Verfügbarkeit der Informationen. Allerdings wird die Gruppe das Thema in den nächsten Tagen erneut diskutieren, da heute in Los Angeles ein neunzehnjähriger Hacker festgenommen wird, der sich mit seinem Computer in die Systeme von Firmen, Universitäten und vom Verteidigungsministerium eingeschlichen hatte.
Bisher aber legt ein internes Dossier der Gruppe dar, dass es genüge, abends den Poststecker zu ziehen, um so Unbefugten den Einblick zu verwehren. Außerdem sei die offizielle technische Entwicklung der Datensammlung in der Bundesrepublik einstweilen gebremst, da das
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