Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)
nacheinander wurden sie abgeholt und zu einem großen allein stehenden Haus gebracht. Zwei riesige Gittertore mit einer Sprechanlage davor. Ein ungepflegter Garten.
Auch hier ging es sofort in den Keller. Junge Mädchen, Frauen, Kleinkinder waren dort. Auch Mütter mit eigenen Kindern. Auch sie voller Drogen. Als Aufpasser ein Mann.
Nacheinander werden die jüngeren Mädchen abgeholt. Als sie wiederkommen, begreift Angela, dass es nicht sicher ist, ob man überhaupt lebend zurückkommt. Die Kinder sind voller Brandblasen, sie bluten.
Darunter zwei kleine Asiatinnen. Und Kinder aus der DDR. Von politischen Gefangenen. Dies war das Jahr 1977. Immer wieder erzählen Überlebende mit ähnlichen Erfahrungen wie Angela Lenz, dass die Grenzen der DDR für diese Kinder offen waren. Die DDR-Grenzen waren nur offen, wenn die Stasi dies wusste.
Dann holte man Angela ab. Und ein anderes Mädchen: Grete. Nackt wurden sie dem Siebenerrat vorgestellt. Die Mädchen mussten sich gegenseitig foltern. Ein Verfahren, das auch von Kultopfern in den USA geschildert wird: Folter wird ritualisiertangewendet. Die Ideologie des Satanskults behauptet, Schmerz und Folter setze Energie frei und vergrößere so die spirituelle Macht der Gruppe. Rituale werden nach genau festgelegten Abläufen durchgeführt. Jedes Kind erhält einen Mentor, einen Paten, der es für die Rituale trainiert. Auch diesmal war Onkel Paul dabei. Durch Folter in geringerem Maß werden die Kinder auf die Zeremonien vorbereitet. 99
Deshalb mussten sich die beiden Fünfzehnjährigen vorab schon mal weh tun.
Dabei wurden sie gefilmt.
Es folgten Einschüchterung, Todesdrohung und immer wieder Schmerzen. Sie mussten über eine Wanne mit glühenden Kohlen gehen. Darin, so erläuterte man ihnen, würde man sie begraben, sollten sie unehrenhaft leben. Unehrenhaft leben heißt, sich nicht an das Schweigegebot halten.
Es folgte das Reinigungsritual.
Man erklärte ihnen, dass sie jetzt alt genug seien, für Satan ein Kind zu gebären. Man legte sie auf den Altar. Sie wurden mit Sperma und Urin eingerieben. Gebete wurden gesprochen. Dann sollten sie auch von innen gereinigt werden. Einer aus dem Siebenerrat zog sich einen Gummihandschuh an und bestrich ihn mit Salbe, und dann führte er die ganze Hand in die Scheiden der Mädchen ein.
Es war eine Salbe, die wie Feuer brannte.
Sie war ihnen nicht unbekannt. Robbi hatte im Alter von vier Jahren damit schon ein Erlebnis gehabt.
Niemand von den Opfern traut sich zu fragen, warum der Mann aus dem Siebenerrat einen Gummihandschuh anzieht, bevor er mit der Creme, die wie Feuer brennt, in die Scheide des Mädchens fährt. Wo es doch heißt, Schmerzen seien so gut, sie würden viele Energien freisetzen? Und keine fragt, warum die Scheide des Mädchens mit einem scharfen Strahl kalten Wassers ausgespült wird, bevor die Männer sich daranmachen, das Kind für Satan zu zeugen.
Viermal holte man die Mädchen in den nächsten Jahren zu derartigen Ritualen. Auch in Deutschland. Irgendwann scheint die Zeugung dann tatsächlich gelungen zu sein.
Bei Grete.
Vermutlich war das in der Zeit, als Angela Bahr auf Trebe ging. Ein Dreivierteljahr unterwegs auf der Straße. Seit dieser Zeit gibt es keine Fotos mehr von ihr und von Grete.
Angela hatte damals versucht zu verschwinden, sich mit Alkohol betäubt, doch das »andere System«, das geheime System, hatte jede Gelegenheit genutzt, mal eben schnell bei seinen Herren anzurufen. Ab und zu kamen die Herren auch selbst vorbei. Niemand vom Alltagssystem kriegte das mit.
Auch Sarah nicht.
Irgendwann holten sie sie. Da sah sie Grete wieder: schwanger. Sie sollte ihr helfen bei der Geburt, sollte Pate des Kindes werden. So sagte man den beiden. Die Männer leiteten die Geburt ein. Die Geburten werden früh eingeleitet, sobald das Kind lebensfähig ist, aber lange bevor die Gefahr besteht, dass durch einsetzende Wehen irgendetwas auffällig wird.
Ältere Frauen waren dabei, die die Jüngeren betreuten, beruhigend auf sie einredeten.
»Mach es dir nicht so schwer, Mädchen. Wehr dich nicht dagegen, dann geht es leichter.«
Natürlich wehrten die Mädchen sich. Sie wollen es nicht zur Welt bringen. Sie wussten, was dann passiert.
Es gab wehenfördernde Mittel. Damit die Terminplanung klappte. Aber natürlich nichts Schmerzlinderndes.
Wo ist das Kind?
Es ist doch ihr Patenkind. Sie sind dafür verantwortlich. Irgendwo lebt es. Sicher. Irgendwo, von einer anderer Familie aufgezogen, wo sie es
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