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Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Titel: Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Fröhling
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neunzehnjährigen Grete. Angela schaute hin und sah die Streifen.
    »Nein«, sagte Grete sofort, »das kommt doch von den ganzen Abmagerungskuren, das hab ich auch auf dem Bauch. Ich war mal ziemlich dick.«
    Das stimmte, Angela erinnerte sich, dass Grete einige Male ziemlich dick gewesen war.
    Als die Krankengymnastin das Zimmer verlassen hatte, hockten sich die beiden Mädchen auf die Bettkante und kicherten los.
    »Ich hab doch noch nicht mal mit einem Mann geschlafen«, flüsterte Grete, »meine Eltern haben mir immer streng verboten, mich mit Jungs zu treffen.«
    »Weiß ich doch«, sagte Angela. »Geht mir doch genauso.« Diese Erinnerung ist sehr irritierend. Wer war das, die den Krankenbesuch gemacht hatte? Miranda, die Vergnügte, die damals noch keine Ahnung von Angelas Geschichte hatte? Wahrscheinlich.
    Aber was war mit Grete? Hatte sie auch keine Ahnung? So musste es sein.
    Plötzlich, fünfzehn Jahre später, nach sechs Jahren Therapie, im Besitz vieler Erinnerungen, geht Angela auf, dass Grete wahrscheinlich genauso aufgespalten war wie sie selbst. Als Grete vom Abnehmen sprach, hatte sie in Windeseile eine Deck-Erinnerung geschaffen, um vor sich und anderen zu verbergen, was wirklich geschehen war: Die Schwangerschaftsstreifen waren echt. Grete war schwanger gewesen.
    Grete hatte ein Kind. Das war Angelas Patenkind.
    Sie waren dabei gewesen, als es gezeugt, als es geholt wurde.
    Wochenlang drängen sie es weg. Sie wollen es nicht wissen. Sie können es nicht ertragen.
    Das waren ja gar nicht sie. Eine andere war das, eine, mit der sie nichts zu tun haben. Die hat das gemacht. Sie haben überhaupt nichts davon mitbekommen. Sie wissen nichts. Sie waren gar nicht dabei. Nicht ihre Sache.
    Wahrscheinlich stimmt es überhaupt nicht.
    Wahrscheinlich stimmt das alles nicht, meldet sich da eine zu Wort, die nur auf solche Gelegenheiten wartet: Angela Gudrun.
    Angela Gudrun, das ist der Zweifel.
    Angela Gudrun behauptet, dass an all diesen Geschehnissen, über die die anderen Innenpersonen berichten, nichts, aber auch gar nichts dran ist. Ein Brief von ihr kommt an, handschriftlich, in altertümlicher, angestrengter, linksgekippter Schrift. Distanziert siezt sie die Autorin, die Angela Lenz schon seit Jahren duzt, und besteht darauf, dass ihre Meinung auch im Buch vorkommen muss: Alles sei erlogen. Erfindung eines kranken Geistes – ihres eigenen nämlich.
    Beweise hat sie nicht, sie kann es auch nicht begründen. Eine Meinung gegen hundert, die anderes wissen. »Die ist programmiert«, sagt Magda – immer schnell zur Hand mit Urteilen.
    Vielleicht ist es so.
    Angela Gudrun ist eine besondere Person im System. Ihre Wahrnehmung unterscheidet sich stark von der aller anderen. Sie hat dieselben Zeitverluste und Erinnerungslücken, hat aber beschlossen, nicht darüber nachzudenken. Sie hat keinerlei Kontrolle über das Geschehen, aber sie nimmt wahr, wenn die anderen agieren. Doch die anderen in sich nimmt sie nicht wahr. Das alles, glaubtsie, sei sie selbst. Sie erlebt keinen Switch , keinen Wechsel von einer Person zur anderen. In der Kindheit hat sie sich dabei beobachtet, wie sie im Kindergarten eine Scheibe einschlug. Sie begriff nicht, warum sie das tat, aber sie konnte es auch nicht verhindern. Sie hörte, wie sie zur Kindergärtnerin sagte: »Das war ich nicht!« Sie hörte es, als ob sie weit hinten in einem Tunnel säße. Alles in ihr schrie: »Ich warʼs!« Aber heraus kam etwas, das sie als Lüge empfand. Sie konnte es nicht ändern. Angela Gudrun hat schwere Schuldgefühle, weil sie sich als Lügnerin empfindet. Sie möchte nicht lügen, aber sie beobachtet sich beim Lügen und kann es doch nicht verhindern. Ein Drama, da sie auch sehr religiös ist. Die Worte »… dir ist vergeben, gehe hin und sündige fortan nicht mehr«, lasten schwer auf ihrer Seele, denn sie weiß, sie wird sich wieder und wieder lügen hören, sie kann es nicht verhindern.
    Für Nina Temberg war Angela Gudrun anfangs ein großes Problem, denn deren Therapieziel war anders als das der anderen: Sie wollte aufhören können zu lügen. Glücklicherweise war sie sehr kooperativ und machte vieles mit, was sie nicht verstand, in der Hoffnung, dass es ihr eines Tages besser gehen würde.
    Nina einigte sich mit ihr, dass die Berichte aus der Vergangenheit, die Angela Gudrun sich sagen hörte, zutreffend sein könnten, sie könnten aber auch nicht zutreffen.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Nina, »ich kann es nicht beweisen.« Das war

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