Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)
Geräusch, der Geruch, wenn Schwingungen zeigten, dass der Vater sich näherte. Sein freundliches Gesicht über dem Stubenwagen, welches Glück! Er liebte sie, das konnte sie deutlich spüren. Wie aufmerksam er war. Seine Geduld, wenn er sie fütterte, mit ihr spielte, wenn er sie auszog, badete, sie anzog. Sie ins Bett brachte. Es war gut, dass er da war. Sie war zufrieden, ruhig, entspannt, wenn er sich neben ihr Kinderbett setzte, sie streichelte, freundlich mit ihr redete.
Es machte nichts, dass er ihr unter die Windeln griff, nachdem er sie ins Bett gelegt hatte, wenn er mit ihr allein war. Sich in die zarten Falten ihrer Haut, in den Babyspeck ihrer Oberschenkel hineinwühlte.
Fast nichts.
Auch dass er sich dabei selbst befriedigte, machte noch kaum etwas. Sie spürte zwar, wie die Stimmung sich änderte, er wurde angespannter – war bei ihr und doch nicht bei ihr. Sein Gesicht, so rot, so groß, direkt vor ihr. Die Bewegungen, so ruckartig. Auch sie wurde angespannter. Manchmal weinte sie. Aber es gab noch so vieles, was sie nicht verstand. Und dies dauerte auch nicht sehr lange. Hauptsache, dass er da war.
Und nicht die Mutter. So war es anfangs.
Für ihn war das Kind eine Frau. Gerade so viel Frau, wie er ertragen konnte. Werner Bahr liebte seine Tochter. Wellen zärtlicher Gefühle überschwemmten ihn, wenn er sein kleines Mädchen sah. Sie war so schön. So zart und blond. So rein. Einkleiner Engel. Ihre winzigen Finger so zierlich, so zerbrechlich. Er berührte sie ganz sanft, wenn er sie wusch. Er liebte es, sie abzutrocknen. Die Haut so weich. Wie sie duftete. Das Haar wie Seide. Ein Traum.
Sein Traum.
Wie sehr hatte er sich eine Tochter gewünscht. Ein kleines Wesen, dem er seine ganze Liebe schenken konnte. Wie sie lachte, wenn sie ihn sah! Sie liebt mich genauso, dachte er. Sie ist glücklich, dass ich sie liebe.
Sie will es, dass ich sie liebe.
Wie oft hatte er davon geträumt, so ein kleines Wesen zu besitzen. Für immer. Nicht nur für eine hektische, heftige Stunde oder noch weniger in fremden Wohnungen oder speckigen Hinterzimmern irgendwelcher Kneipen. Eine kurze Gier gegen Bezahlung. Für die er sich verachtete. Immer in Angst, verraten zu werden. In Angst vor Erpressung. Er, Werner Bahr, Bankdirektor und Vorstandsmitglied, in Kontakt mit Menschen, die er verabscheute, gesellschaftlich tief unter ihm, und doch war er ihnen ausgeliefert. Abgestumpfte Paare und Männer, von denen er wusste, dass sie sein Geld am selben Abend beim Pokern verlieren würden. Wie sie ihm ihre Töchter zuschoben, ängstliche oder abgebrühte Kinder. Kleine dressierte Flittchen waren das in seinen Augen, honigsüß und eklig zugleich. Er fieberte nach ihnen und verachtete sie im selben Augenblick; beides verschmolz zu einem Gefühl. Er fügte ihnen Schmerz zu. Anfangs wenig, später immer mehr. Sie haben Strafe verdient, sagte er sich. Warum tun sie auch so etwas? Huren.
Dies hier ist anders, dachte er. Es ist rein. Es ist Liebe. Wenn er seine Tochter ansah, nackt, seine kleine Tochter, die er so liebte, dass nur an sie zu denken ihn schon schmerzte, wenn er sie so ansah, nackt, tauchte hin und wieder ein anderes Bild in ihm auf. Eher huschte es vorbei, ein Schatten. Es streifte kaum sein Bewusstsein.
Ein kleines Mädchen aufrecht in einer Zinkwanne, mit weißen Seifenschaumtupfen auf ihrer samtenen, von der Hitze des Badewassers zart geröteten, ihrer dampfenden, ihrer unzerstörten Haut. In einer düsteren, bedrückenden Küche. Sie aber lächelt. Im Dämmerlicht so weiß, so rein. Eine winzige Ikone in seiner Seele. Sie verscheucht jede Angst. Etwas unendlich Tröstliches.
Von diesem Trost brauchte er immer mehr. Jetzt hatte er ihn. Ein Wesen nur für sich allein.
Sie liebt mich wirklich, dachte er, wenn sie lächelte. Wie sie ihre Ärmchen nach mir ausstreckt! Sie will es auch, ich sehe es ihr an, ich sehe ihr Verlangen. Dieses kleine Luder, schoss es ihm durch den Kopf, und er kniff sie heftig in die Scham, denn Strafe muss sein, dieses kleine Luder, die weiß doch genau, was sie mit mir anstellt.
Sie hat Schuld.
Ihr Gesicht verzog sich zum Weinen, und er dachte, sie versteht ja noch gar nicht, was passiert. Wird sich auch nicht daran erinnern. Ist noch viel zu klein. Ist doch noch gar kein Mensch, ganz und gar unfertig. Was weint sie denn? Soll doch froh sein, dass ich ihr helfe, ein Mensch zu werden. Ich mache eine richtige Frau aus ihr. Sie wird es mir danken. Eines Tages. Ich bringe ihr bei,
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