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Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Titel: Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Fröhling
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Und wenn es vorbei war, konnte er die Kleinen im Arm halten. Denn das tat sonst niemand.
    Und einer musste es ja tun.
    Dass es einer tun musste, das hatte Sarah beschlossen. Denn Sarah existierte ebenfalls schon seit der ersten Spaltung. Man könnte sagen, sie war entstanden, weil einer ja den Überblick behalten musste. Das war ihre Aufgabe als »innerer Beobachter«, sie erlebte die Ereignisse nie selbst, spürte nichts von den Schmerzen und griff damals auch nicht auf die Weise ein wie Jimmy, aber sie sah alles.
    So glaubte sie jedenfalls dreißig Jahre lang.
    »Anfangs«, so Sarah, »habe ich es auch noch nicht richtig verstanden. Ich merkte bloß, dass ich weiter war als die anderen. Etwas reifer und älter. Doch auch für meinen Verstand war das noch zu viel. Ich wusste, dass ich mich ständig ganz stark konzentrieren musste, damit ich alles mitbekam. Ich hatte keine Ahnung, welche Rolle ich in diesem Horrorfilm spielte, aber ich merkte, dass die anderen immer nur ihre Rolle erlebten. Ich war die Einzige, die einen Überblick hatte. Ich konnte in Gedanken mit den anderen reden, ohne dass sie etwas von mir bemerkten. Sie hielten meine Worte für Einfälle, die sie gerade hatten. So konnte ich ihnen helfen, ohne ihnen Angst zu machen.«
    Ein osmotischer Vorgang in diesem wie von Membranen unterteilten Gehirn. Warum nicht? Untersuchungen belegen, dass schwere Misshandlungen, die Kinder über lange Zeit erleiden müssen, auf viele Weise ihre Spuren hinterlassen. Man kann die Spuren sehen. Die wiederholten Knochenbrüche auf den Röntgenschirmen. Die Folgen des Traumas als Veränderungen in den Hirnströmen noch Jahrzehnte später. Massive nachhaltige Veränderungen im Stoffwechsel sind ebenfalls messbare Folgen. Und eine vollkommen veränderte Persönlichkeitsstruktur.
    1965
Der Auschwitz-Prozess ist beendet
Erster Bundesparteitag der NPD
Im Kino: »Ekel« von Roman Polanski + »Ipcress-Streng geheim«
Hitparade: »Sprich nicht drüber«, »Hast du alles vergessen?«,
»The Price of Love«, »Weʼve got to get out of this place«
Das höchste Ansehen in der BRD genießen Ärzte, Ingenieure und Pfarrer
Die bekanntesten Industriellen sind Krupp, Thyssen, Flick, Oetker
Die Tür schlägt zu
    Eine gehobene Wohngegend im Frühling. Solide Einzelhäuser in gehörigem Abstand, fast villenartige Festungen einige davon.Viel Grün zwischen ihnen, alter Baumbestand. Die gepflegten Vorgärten sind von altem Laub befreit. Geharkt, gefegt, von Torf bedeckt, mit Kies bestreut. Überall Krokusse, letzte Schneeglöckchen, die ersten Narzissen, Tulpenknospen und Perlhyazinthen auch. Die großen Gärten hinter den Häusern durch Eichen, Lärchen, Fichten, dichte Hecken und Backsteinmauern gegen neugierige Blicke abgeschirmt. Leicht geschwungen läuft die Straße hügelan in den Wald hinein.
    Eine Amsel singt auf dem Mauervorsprung neben der Buchsbaumhecke, melancholischer Klang. Die Schatten sind lang, es ist später Nachmittag, früher Abend. Stille, die Kinder sind in den Häusern. Aus einem Fenster im ersten Stock dringt, sehr gedämpft, sehr dezent Freddy Quinns neuester Schlager: »Vergangen, vergessen, vorüber«. Gegenüber rattert ein Rollladen herunter. Die Amsel fliegt auf und ist fort.
    Heute ist Angelas vierter Geburtstag. Eine Feier gab es nicht, aber Geschenke vom Vater: eine große Puppe mit vielen Puppenkleidern dazu. Am Nachmittag bekam die Mutter Besuch, eine der Tanten aus der Nachbarschaft, auch sie mit einer Tochter, die ihr eher lästig ist, einer schwierigen Tochter, die sie nicht versteht. Das verbindet.
    Die Mütter.
    Die Töchter leider nicht. Aber die Eltern haben beschlossen, dass die Mädchen Freundinnen sind, und so hockten die beiden am Nachmittag auf dem Boden und zerrten Angelas neue Puppe stumm und erbittert zwischen sich her. Hin und wieder, vielleicht waren die Geräusche aus der Kinderecke doch zu laut geworden, vielleicht aber auch nicht, hin und wieder standen die Mütter auf, um ihre Töchter, wie sie es nannten, zur Raison zu bringen. Dann wandten sie sich wieder Kaffee und Kuchen zu.
    Stefanie ist da, und sie weiß, dass sie heute Geburtstag hat, aber was heißt das schon. Wie immer, wenn die Mutter in der Nähe ist, bemüht sie sich, leise, ordentlich und sauber zu sein.Ein Fleck auf dem Rock, auf der Bluse, und in einer Wutattacke, mit der jederzeit zu rechnen ist, zerrt die Mutter ihr die Kleidung herunter, auch die Unterwäsche, trägt Stefanie in den Keller hinab, setzt sie in den

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