Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Titel: Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Fröhling
Vom Netzwerk:
Fünfundvierzig . Wie alt bin ich? Dreizehn . Wer sind die anderen? Trauergäste . Kenne ich sie?
    Einer steht direkt vor mir. So ein großer Kerl im dicken Mantel. Gerade richtet er sich wieder auf. Was hat er gemacht? Der muss doch was gemacht haben. Die gucken mich alle so an. Hat der mich in den Arm genommen? Das muss es sein, ich spüre noch, wie sein Mantel mich am Hals gekratzt hat. Unangenehm. Wenn er mich umarmt hat und mir nicht nur die Hand gegeben hat, muss ich ihn kennen. Kann mich aber nicht erinnern. Was hat der gesagt? Keine Ahnung. Der hat doch irgendwas gesagt zu mir. Kann mich nicht erinnern. Aber das war nichts Gutes. Das spüre ich. Ich hab Angst.
    Hier kommt noch einer. Kenne ich auch nicht. Muss schauen, wie die Mutter sich verhält. Was macht sie? Sie gibt ihm die Hand, drückt sich mit der anderen das Taschentuch auf die Augen. Er hält ihre Hand, sagt: »Herzliches Beileid. Ein großer Verlust. Nun ganz allein mit den Kindern. Tapfer sein.« Und lässt die Hand wieder los. Die Mutter nickt. Man muss also gar nichts sagen. Das kann ich. Er kommt zu mir, nimmt meine Hand und zieht mich an sich. Wieso macht der bei mir was anderes? Er sagt mir was ins Ohr: »Verräter müssen brennen.« Ich erstarre. Hat der das wirklich gesagt? Was heißt das? Welche Verräter? Bin ich einer? Hab ich mich verhört? Ich will hier weg. Da kommt schon der Nächste. Kenne ich auch nicht. Gibt der Mutter die Hand, guckt sie an, sagt nichts. Kommt zu mir, gibt mir die Hand, sagt nichts. Gut. Noch einer. Gibt der Mutter die Hand, sieht ihr nicht in die Augen, sondern auf ihre Hand, sagt: »Wir werden ihn vermissen.« Kommt zu mir, gibt mir die Hand, zieht mich an sich – wonach riecht der? –, berührt mit seinen Lippen mein Ohr, sagt: »Du weißt, was dir passiert, wenn du den Mund nicht hältst, du kleine Hure.«
    Was wollen die von mir? Ich kenne die gar nicht. Ich hab doch nichts getan. Ich weiß überhaupt nichts. Ich weiß nur eins: Da in dem Loch in der Erde ist irgendetwas, was zu mir gehört. Das hat man mir weggenommen. Das tut weh. Das tut so weh, ich kann das nicht aushalten. Das tut mehr weh als die Angst.
    Was ist das?
    Mein Vater kann das nicht sein. Ich weiß ja nicht mal, wie der aussah.
    Küche.
    Dies ist eine Küche. Herd. Schränke, Wasserhahn, Spüle. Eindeutig Küche. Wie bin ich hierhergekommen? Eben war ich doch noch auf dem Friedhof. Was ist los mit mir?
    »Angela! Bist du noch nicht fertig? Was stehst du da rum? Los, aufdecken, hab ich gesagt! Aber ein bisschen plötzlich!«
    Da ist sie wieder. Die Frau. Die von der Beerdigung. Die neben mir stand. Die, die meine Mutter ist. Aufdecken soll ich. Geschirr auf den Tisch. Wo ist das Geschirr? Offenbar wohne ich hier. Ich muss also wissen, wo alles ist. Wieso weiß ich das nicht? Bin ich verrückt? Ich darf nicht rumprobieren, alle Schranktüren auf und so.
    Ich muss das wissen.
    Ich weiß es nicht.
    Aufdecken.
    Was denn?
    Kaffeetassen? Mittagessen?
    Wie spät ist es?
    Da ist eine Küchenuhr: Viertel vor vier. Also Kaffeetrinken.
    Aber für wie viele denn?
    Sind wir allein? Vater, Mutter, Tochter? Ach nein, der Vater ist ja tot. Aber es gibt noch einen Bruder. Drei Personen also: dreimal Tassen, Untertassen, Teller, Kaffeelöffel, Kuchengabeln.
    Wo ist der Kuchen?
    Wie macht man Kaffee?
    »Bist du verrückt?« Da ist die Frau wieder. Sie ist wütend. Sie schreit: »Drei Tassen? Wir haben Gäste!«
    »Das wusste ich nicht.«
    »Was! Das wusstest du nicht? Auch noch lügen! Dir werd ichʼs zeigen.«
    Sie schlägt. Die Frau hat eine Kehrichtschaufel in der Hand und schlägt mir damit auf den Kopf. Das tut weh. Immer wieder. Ich halt das nicht aus.
    »Möchtest du auch Kaffee, Angela?«
    Angela. Das bin ich. Möchte ich Kaffee?
    Wohnzimmer.
    Ich sitze auf der Couch.
    Eben war ich noch in der Küche. Oder nicht? Die Frau hat mich gerade geschlagen. Oder hab ich das geträumt? Mein Kopf tut weh. Sie hat mich also wirklich geschlagen. Aber wie komme ich hierher?
    »Angela, was ist denn nun?«
    Wo kommen die Leute plötzlich her? Ich habe gar nicht gemerkt, dass die reingekommen sind.
    »Angela!«
    »Wie bitte?«
    »Ob du Kaffee möchtest?«
    Trinke ich Kaffee? Ich weiß es nicht. Ich muss das doch wissen. So was weiß man doch. Bin ich verrückt?
    »Manchmal denke ich, sie ist verrückt. Es ist zum Verzweifeln. Statt dass sie mir hilft, mich tröstet, mich unterstützt nach meinem Verlust. Nichts, überhaupt nichts. Jetzt stehe ich ganz allein auf der

Weitere Kostenlose Bücher