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Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Titel: Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Fröhling
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Welt, und meine eigene Tochter lässt mich im Stich.«
    Die Frau weint. Die Tränen laufen ihr über das Gesicht. Die anderen bedauern sie, sagen ihr, wie tapfer sie ist. Wahrscheinlich ist sie tapfer. Muss schwer sein mit einer Tochter wie mir. Ich kann mir nichts merken, nicht mal, ob ich Kaffee trinke. Ich muss mich zusammennehmen.
    »Sie trinkt noch keinen Kaffee«, sagt die Frau unter Tränen, »sie trinkt Kakao. Willst du heute keinen Kakao, Angela? Ach, mit der ist überhaupt nichts anzufangen.«
    Ich trinke keinen Kaffee, ich trinke Kakao.
    »Ach, sie hat jetzt auch mit sich zu tun.« Der das sagt, den kenne ich. Ich kenne den vom Friedhof. Angst.
    Flur.
    Ich stehe im Flur. Wie komme ich hierher?
    Eben haben wir Kaffee getrunken. Wo sind die anderen?
    Keiner mehr da. Ich bin ganz allein. Kein Geschirr mehr auf dem Tisch. Habe ich abgeräumt? Ich muss abwaschen. Ich muss mich beeilen. Nein, es ist alles schon abgewaschen. Wer hat das gemacht? Hab ich das gemacht? Ich mach das doch immer. Das ist meine Aufgabe. Also hab ich das jetzt auch gemacht. Aber wieso weiß ich es nicht mehr? So was muss man doch wissen.
    Ich glaub, ich bin verrückt.
    Was für ein Tag ist heute? Keine Ahnung.
    Tagebuch. Ich muss Tagebuch schreiben. An jedem einzelnen Tag schreibe ich auf, was ich mache. Dann kann ich immer nachlesen, was passiert ist. Vielleicht lerne ich dann, mir alles zu merken. Ich muss es lernen.
    Ein Geräusch an der Tür. Angst. Schlüssel im Schloss. Die Frau, die meine Mutter ist, schließt auf. Sie hat einen Schirm in der Hand. Vorsicht. Wie guckt sie? Abstand halten. Arm- und Schirmlänge weit weg. So viel hab ich immerhin gelernt. Ausweichen. Nie mit dem Rücken zur Wand stehen.
    »Willst du mich nicht in den Arm nehmen, Angela? Deine Mutter kommt erschöpft aus der Stadt zurück, und du nimmst sie nicht mal in den Arm. Was bist du nur für eine herzlose Tochter?« Da steht sie und hat die Arme ausgebreitet.
    »Halt mich lieb«, sagt sie. Ich soll sie in den Arm nehmen. Wenn sie bloß diesen Schirm wegstellen würde. Sie ist viel größer als ich und breiter. Ich nehme sie in den Arm, sie kuschelt sich an mich wie ein Kind, hält sich an mir fest. Ich kann das nicht.
    »Willst du mir nicht ein paar liebe Worte sagen? Du hast überhaupt kein Mitleid mit mir. Ich bin ganz allein auf der Welt. Ichhabe den Mann verloren, jetzt muss ich für dich und deinen Bruder ganz allein aufkommen. Und die ganzen Schulden, die mir dein Vater hinterlassen hat, die lasten auch auf mir. Dir ist das ja egal. Du hast kein Herz. Die eigene Tochter hat gar keine Liebe für mich. Aber das ist deine Pflicht als Tochter, mich zu lieben und für mich zu sorgen. Ach, geh und hol mir einen Cognac, ich habe Kopfschmerzen.«
    Sie lässt den Mantel fallen, ich hänge ihn auf. Sie geht ins Wohnzimmer, ich hole ihr Cognac. Sie trinkt, ich gehe auf Abstand.
    »Massier mir den Nacken, Angela, Schätzchen, ich bin so verspannt.«

    Ich hasse das.
    Ich massiere ihr den Nacken, und sie stöhnt dabei vor Genuss. Ich rieche das Haarspray. Sie war gerade beim Friseur. Vorher in der Stadt. Also haben wir heute gar nicht mit den Leuten Kaffee getrunken. Das muss an einem anderen Tag gewesen sein. Aber wann? Ich muss das rausfinden. Ich will das wissen. Ich muss Tagebuch schreiben. Ob ich die Mutter mal frage, wann es war?
    »Ah, mehr links.«

    Ich hasse das.
    Warum hasse ich das? Ich bin eine schlechte Tochter. Eine böse Tochter. Das ist meine Mutter. Ich muss sie lieben. Sie schuftet für mich.

    Sie stinkt nach Friseur. Sie ist widerlich.
    »Hm, gut, jetzt die Schultern.« Sie öffnet das Kleid, lehnt sich vor, schießt hoch, haut mir eine runter. »Au, du hast an meinen Haaren gezogen. Blödes Ding, siehst du denn nicht, dass ich beim Friseur war? Nichts kannst du. Zu nichts bist du nütze. Mein ganzes Leben hast du zerstört, und jetzt muss ich dich auch noch durchfüttern.«
    Nein, die frage ich bestimmt nicht. Die darf das nicht wissen, die als Allerletzte. Wen kann ich sonst fragen? Ich glaube, die anderen dürfen das auch nicht wissen, was mit mir los ist.
    Einige Monate lang schrieb Traute Tagebuch. Äußerst diszipliniert und sorgfältig ging sie dabei ans Werk: Jeden Morgen setzte sie sich in ihr Zimmer, klappte das Notizheft auf und trug als Erstes Datum, Wochentag und Uhrzeit auf der neuen Seite ein. Dies las sie von der Weckeruhr mit den Klappziffern in ihrem Zimmer ab und, um ganz sicherzugehen, auch noch von der Tageszeitung.
    Das gab

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