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Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Titel: Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Fröhling
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dass mehrere Leben parallel geführt wurden.
    Fest steht, dass Angela Bahr nach der Schule eine Ausbildung zur Erzieherin begann. Noch heute ist sie überzeugt, dass das ganz allein ihr Wunsch war, ein Wunsch aus der Not geboren, nicht das werden zu müssen, was die Mutter für sie plante: Sekretärin im selben Büro, wo auch sie arbeitete.
    Erzieherin.
    Viele Menschen, die als Kinder misshandelt wurden, möchten besser machen, was an ihnen verbrochen wurde.
    Andere wiederholen, was man ihnen antat. Immer wieder. Falls es ihnen nicht gelingt, den Kreislauf zu durchbrechen, in dem sie eingesperrt sind, Generation nach Generation.
    Manche machen beides.
    Angela Bahr bemühte sich, allen Anforderungen gerecht zu werden. Zweimal brach sie die Ausbildung ab. Sie begann zu trinken. Mehrfach lief sie von zu Hause weg. Viele Probleme kamen hinzu, mit denen die vorhandenen Personen nicht fertig wurden. So schufen sie weitere Persönlichkeiten.
    Angela kam in die Pubertät. Sie war hübsch; Jungen, Männer machten sie auf der Straße an. Was nun? Mit heimlichen Tätern konnten sie umgehen. Aber diese alltäglichen Übergriffe, diese Normalität der kleinen Gewalt, was war denn damit? Was sollten sie damit machen?
    Chris entstand, ein Junge. Cool, souverän, stark wehrte er die Angriffe ab. Er kann ausstrahlen, dass er nicht will. Er schaffte es, durch einen ganzen Waggon mit betrunkenen Bundeswehrsoldaten zu gehen, ohne dass ihn einer anfasste.
    Von all diesen anderen Leben bekam Traute so gut wie nichts mit. Das Tagebuchschreiben hatte sie aufgegeben. Zu schmerzlich war es, die fehlende Zeit schwarz auf weiß sehen zu müssen.
    Traute war nur noch selten da, in stillen Momenten. Einmal, so erinnert sie sich, saß sie nachts auf einer Parkbank und beobachtete die Sterne. Das war schön. So still, so ruhig, so einsam. Sie fühlte die Weite des Himmels und die Einsamkeit, fühlte sich eins mit allem. Das tat ihr gut.
    Dass neben ihr auf der Bank und auf dem Rasen ein paar Gestalten herumlagen, bemerkte sie schon. Aber die störten sie nicht. Die schliefen ja. In Ruhe konnte Traute die Sterne beobachten. Dieser nächtliche Moment gehört zu ihren schönsten Erinnerungen.
    Was Traute nicht wusste: Die schlafenden Gestalten waren ihre ständigen Begleiter seit einem halben Jahr. Mit denen war sie, das heißt, mit denen war Frieda, auf Trebe gegangen, nachdem sie vorher ihr Bankkonto abgeräumt hatte. Viel war nicht drauf gewesen, gerade mal fünftausend Mark, aber es war ihreigenes Geld. Eine Weile hatte es gereicht und hatte ihr Freunde gemacht unter den Obdachlosen, mit denen sie unterwegs war.
    Irgendwann war es aufgebraucht, und die Männer brachten ihr mehr oder weniger schonend bei, dass sie weiterhin für den Lebensunterhalt der Gruppe zu sorgen habe. Eher weniger schonend. Sie lernte die Regeln kennen: Die Männer waren für den Schutz da, sie und eine andere Frau für die Kohle. Die andere zeigte ihr, wie das geht mit der kleinen Straßenprostitution nebenbei. So zogen sie von Darmstadt nach Frankfurt, nach Hamburg, ins Ruhrgebiet.
    Frieda ist Alkoholikerin. Nur im Suff konnte sie dies Leben ertragen.
    Traute erlebte auch hiervon nur Bruchstücke. In ruhigen Momenten wie diesem: Es ist still, die Sonne geht auf, Traute sitzt an einem Tisch, irgendwo. Vor ihr steht eine Flasche mit Korn. Sie will nicht trinken. Hat gar keine Lust, keinen Appetit auf Alkohol. Trotzdem muss sie beobachten, wie ihr Arm sich hebt und zu dieser Flasche mit Schnaps greift.
    Pfui Teufel, denkt Traute, und das am frühen Morgen.
    Sie will nicht trinken.
    Aber der Arm will.
    Wenn ich nicht trinken will, denkt Traute, und trotzdem trinke, dann bin ich Alkoholikerin. Wenn man nicht will, es aber trotzdem tut, ist man süchtig.
    Doch in diesem Augenblick war es Friedas Arm. Frieda hatte Brand. Eines Tages würde es auch Frieda sein, die einen Entzug machen muss. Nicht Traute. Traute ist nicht alkoholabhängig.
    Aber Frieda.
    Ein anderer Tag.
    Wieder ist es so ruhig wie damals im Park. Traute setzt sich auf. Schaut um sich. Sie ist nicht mehr im Park. Der Park war vor zwei Monaten, aber das weiß Traute nicht.
    Gitterstäbe vor den Fenstern. Sie ist in einer Zelle. Ach, du Scheiße!
    Wie ist sie denn da hingekommen?
    Sie fühlt ihre schlimmste Befürchtung in Erfüllung gehen: Ihre Blackouts, das Unheimlichste in ihrem Leben, hatten in Traute immer die Angst genährt, in diesen Zeiten täte sie etwas so Schreckliches, dass sie nicht in der Lage wäre,

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