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Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Titel: Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Fröhling
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kommt. Sie wollte das nicht. Sie weiß noch nicht einmal, wie sie da hingekommen ist. Auch nicht, wie sie so schnell wieder von den Schienen heruntergesprungen ist. Jemand hat sie geschubst. Aber da ist niemand. War das ein Selbstmordversuch?
    Ihr Therapeut fürchtet um Angelas Leben und sorgt für einen Klinikplatz.
    Wieder einmal beginnt sie eine neue Therapie.
    »Mich gibt es mehrmals«, schreibt Traute auf den Anamnesebogen der Klinik. Und ahnt nicht, was sie damit sagt. »Der Körper lebt selbstständig«, schreibt sie. Sie nimmt wahr, dass sie manchmal fröhlich, manchmal lieb und manchmal stark und selbstbewusst ist. Doch niemals, schreibt sie, sei sie gleichzeitig stark und fröhlich, niemals lieb und selbstbewusst.
    In der Klinik begegnet ihr eine junge Therapeutin: Nina Temberg. Sarah und vielen anderen Persönlichkeiten wird langsam klar, dass Nina der Mensch ist, auf den sie fast dreißig Jahre gewartet haben. Ihr können sie es sagen. Vielleicht.
    »Wie kommt es, dass Sie so schnell wieder gut drauf sind?«, fragt Nina Temberg.
    »Ich bin immer gut drauf«, sagt Miranda.
    »Aber eben in der Gruppentherapie haben Sie doch noch geweint«, stellt Nina Temberg fest.
    »Ich bin sehr wechselhaft«, sagt Traute.
    »Worüber waren Sie denn eben so traurig?«, fragt Nina Temberg.
    »Keine Ahnung«, sagt Miranda.
    »Kommt das öfter vor, dass Sie sich an Dinge nicht mehr erinnern können, die gerade eben geschehen sind?«, fragt Nina Temberg.
    »Halten Sie gefälligst Ihre Klappe!«, schnauzt Sigurd sie an. »Das ist ein großes Geheimnis, darüber darf nicht geredet werden, dass wir viele sind.« Er rennt zur Tür hinaus.
    Damit war es ausgesprochen.
    Fast dreißig Jahre hatte es gedauert seit der ersten Spaltung. Und elf Jahre seit Angelas erstem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik. Zwei stationäre Therapien in psychosomatischen Kliniken, zwei Aufenthalte in psychiatrischen Krankenhäusern, eine Teufelsaustreibung, zwei ambulante Therapien hatte Angela über sich ergehen lassen müssen. Ohne dass es ihr besser ging. Eine Alkoholabhängigkeit, eine bulimische Störung hatte sie entwickelt, etliche Selbstmordversuche, häufige Selbstverletzungen hatte sie unternommen, bevor die eigentliche Diagnose festgestellt wurde: Multiple Persönlichkeitsstörung.
    Mehrere Mediziner bestätigten diese Diagnose im Laufe der nächsten anderthalb Jahrzehnte.
    Nach amerikanischen Untersuchungen irren Menschen mit MPS durchschnittlich sieben Jahre lang erfolglos durch das Gesundheitssystem, ohne dass es ihnen wesentlich besser geht. Sie werden wegen Magersucht, Drogensucht, Alkoholismus, Selbstverletzungen, Psychosen, Angstneurosen, Depressionen, Zwangstörungen, Schizophrenie, Borderlinestörung, Suizidversuchen und vielem anderen behandelt, bevor die zugrunde liegende Störung MPS/DIS erkannt und therapiert wird.
    In Deutschland dauert es noch länger.
    Wissenschaftliche Untersuchungen und therapeutische Erfahrungen belegen, dass eine erhebliche Verbesserung eintritt, wenn die korrekte Diagnose MPS gestellt worden ist und adäquat therapiert wird. Eine hochfrequente ambulante Psychotherapie durch speziell ausgebildete Therapeutinnen oder Therapeuten ist die adäquate Therapie, auch darüber sind sich Forschung und Praxis inzwischen einig. Hin und wieder können kürzere stationäre Aufenthalte erforderlich werden. 41 Nachdem etliche der Persönlichkeiten von Angela Lenz Vertrauen gefasst und sich Nina Temberg vorgestellt hatten, stellte diese eines Tages die Frage: »Wie kommt es überhaupt, dass es Sie alle gibt? Wie ist denn das passiert?«
    Da begann sie, es ihr zu erzählen.
    Langsam und zögernd. Mit Angst und Panik. Aber auch mit unendlicher Erleichterung.
    Erleichterung verspürte auch Wolfgang, Angelas Mann, als Nina Temberg ihm die Diagnose erläuterte. Mit einem Mal bekam das Puzzle einen Sinn; nicht Hass auf ihn trieb seine Frau zu ihren unverständlichen Handlungen. Aber nach der Erleichterung verspürt er selbst den Hass: Hass auf die Täter, die seiner Frau das angetan haben, was er nur in Ansätzen erfährt. Hass auf die Zerstörer. Er will seine Frau rächen.
    Eine Aktion aus Angelas Herkunftsfamilie bestätigt alle Vermutungen: Die Therapeutin habe Angela falsche Erinnerungen suggeriert. Der Klinik und der Therapeutin wird eine Verleumdungsklage angedroht. Doch weder Angela noch die Therapeutin oder die Klinik haben jemanden verleumdet. Der Therapieverlauf unterliegt der Schweigepflicht. Niemand hat

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