Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)
etwas veröffentlicht.
Nur die Herkunftsfamilie, die die Therapie per Rundschreiben im gesamten Täterkreis bekannt machte.
DAS ANDERE SYSTEM
Der Entschluss
1. Telefongespräch:
»Die Alte ist nicht zum Treffpunkt gekommen. So haben wir nicht gewettet. Sie haben von mir zwei Neugeborene gekriegt, dafür will ich eine Nutte, die spurt.«
»Pass auf, was du sagst, Mann!«
2. Telefongespräch:
»Sie muss stärker überwacht werden. Das läuft uns sonst alles aus dem Ruder. Diese Therapeutin pult da an meinem sorgfältig angelegten System herum. Das muss aufhören.«
»Was sollen wir machen?«
»Beschafft mir ein gutes Foto von der Therapeutin. Nehmt die Stimme auf. Die hat doch sicher einen Anrufbeantworter.«
»Okay.«
Sie warteten vor Ninas Praxis.
Frech und selbstsicher.
Als Angela aus der Praxis kam und in ihren Wagen stieg, entdeckte sie sie. Sie fuhren hinter ihr her. Kurz vor der Autobahnauffahrt stoppten sie sie. Es waren zwei Wagen. Einer hielt hinter, einer vor ihr. Sie stieg aus und ging auf den Kastenwagen mit den verschlossenen Fenstern zu.
Bei dem Anblick des Autos war Angela automatisch zu einer Personengruppe hinübergewechselt, von der das Alltagssystem noch keine Kenntnis hatte: von einer kriminellen Gruppe, einem Geheimbund, konditionierte und ihm verpflichtete Befehlsempfänger. Es waren sechs: Herold, Rita, Moira, Kathy, Jule, Tara. Sie hielten eng zusammen, nur die Gruppe galt ihnen etwas, der Einzelne war nichts. Sie wussten, dass es die anderen Personen gab. Sie hatten nichts mit ihnen zu tun, und sie wollten es auch nicht. Sie lehnten sie ab. Die anderen Personen in Angela waren ihre Gegner. Sie bedeuteten Gefahr und mussten umgangen, ausgetrickst, betrogen werden.
Sobald sie die beiden anderen Wagen erblickt hatten, war ihnen klar, was sie zu tun hatten.
Sie wussten auch, was die Männer in den Wagen mit ihnen tun würden. Als Angela in deren Wagen einstieg, sahen sie das Gerät: batteriebetriebenes Elektroschockgerät, auch an Autobatterien anschließbar. Es war klein, handlich und ließ sich hervorragend lagern in dem unauffälligen kleinen Kasten, den sich die Männer zwischen den Achsen des Wagens hatten einbauen lassen. Und es ging alles ganz schnell. Eine Viertelstunde, mehr brauchten sie nicht, dann hatten die Männer sie wieder da, wo sie sie haben wollten. Niemand würde etwas merken. Wolfgang würde noch nicht einmal mitkriegen, dass seine Frau etwas zu spät nach Hause kam.
Eine Viertelstunde, was ist das schon? Das merkt doch keiner. Noch nicht einmal das Alltagssystem. Die würden morgen Bauchschmerzen haben, dachte Herold, aber das hatten sie ja öfter. Oder sonstige Schmerzen, sie würden das für Phantomschmerzen halten von irgendwelchen früheren Erlebnissen. Würden etwas hilflos über sich selber grinsen, immer noch diese Schmerzen, wo doch gar nichts mehr passierte. Oder sie würden rumleiden, dachte Herold zynisch, wie sie das ja häufiger taten.
Als sie sahen, dass auch Onkel Paul im Wagen saß, wussten sie, dass es diesmal hart werden würde.
Und sie wussten, was die wollten: Christian, Angelas Sohn.
Vor fast einem Jahr war er sechs geworden. Sie hätten ihn längst abgeben müssen. So wie Angela abgegeben worden war, damals.
Onkel Paul sprach mit Honig in der Stimme: »Wir tun ihm nichts. Es wird ihm gutgehen. Er soll aufsteigen. Das weißt du.«
Sie sollten in die Schweiz kommen und ihn mitbringen. Dann wäre Angela Lenz frei. Das hatten sie ihr erzählt. Sie würde falsche Papiere bekommen und könnte nach Amerika auswandern. Sie brauchte ja nur ihrer Familie einen Abschiedsbrief zu hinterlassen, dass sie es leid sei, immer der Haushalt und so. Sie wolle ihre Freiheit. Es würde ihr schon etwas einfallen, hatten sie ihr befohlen.
Was sollte sie in Amerika?
Sie wollten Christian, aber Angela würden sie trotzdem nicht gehen lassen. Das ahnten die sechs. Sie hatten es bei einer anderen Mutter beobachten können. Die hatte ihr Kind geopfert. Nun sei sie frei, hatte man ihr gesagt. Am nächsten Tag hatte man die Frau gefunden. Erhängt.
Es hieß, sie hätte sich selbst aufgehängt.
Aber die sechs Personen waren sich selbst gleichgültig. Allerdings verspürten sie zaghaft erste Zweifel an der Gruppenideologie, Zweifel, ob es richtig wäre, Christian zu opfern. Drei Jahre lang hatten sie Nina Temberg im Gespräch mit den anderen Persönlichkeiten beobachtet und waren unsicher geworden: Da war etwas in dieser Frau, das war so anders als alles, was
Weitere Kostenlose Bücher