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Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Titel: Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Fröhling
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gespielt. Sie wandert weiter, kommt zur Straße, in der sie früher gewohnt hat. Sie hat sich Straßennamen und Hausnummer aufgeschrieben. Sie steht vor dem Haus.
    Schlagartig ist da eine Erinnerung an den Vater.
    Ganz plastisch steht es ihr vor Augen: Der Vater sitzt an ihrem Kinderbett, es ist schummerig, er fasst sie an. Wo er nicht soll. Zwischen den Beinen. Wie er es nicht darf.
    Das ist Nickis Erinnerung.
    Jetzt spinne ich, denkt Traute. Ich spinne total. Meine Phantasie geht mit mir durch, will mir Dinge einreden, die überhaupt nicht stimmen. Ich bilde mir das ein. Ich muss ruhiger werden.
    Sie geht die Straße entlang, lenkt sich ab, betrachtet die Vorgärten, kommt wieder zurück.
    Wieder ist da diese Szene in ihrem Kopf. Und das Gefühl, die Angst, das Entsetzen.
    Noch eine Szene. Die erste Vergewaltigung. Der Schmerz.
    Da verschwindet Traute.
    Sie hält das nicht aus.

    Sie muss aber, so geht das nicht weiter.
Wir mussten das ja auch aushalten!
    Traute findet sich wieder, als sie rennt. Irgendwo in der Stadt. Sie ist außer Atem, also ist sie schon eine Weile gerannt. Sie rennt weiter. Da sieht sie ihren Mann, Wolfgang, Gott sei Dank. Sie rennt auf ihn zu und kann nichts sagen. Schweigend fahren sie nach Hause.
    Wolfgang bemerkt, dass irgendetwas passiert ist, aber sie können nicht darüber sprechen. In den nächsten Tagen versucht Traute systematisch, diese Erinnerung zu vernichten. Ich spinne, denkt sie, ich hab einen Vogel, einen Knacks weg, bin verrückt. Das kann nicht sein.
    Doch es lässt sich nicht mehr verdrängen.
    Von nun an hat Traute das Gefühl, als ob dieses Kind, das sie damals gewesen ist, sie immer begleite. Sie will es wegschubsen, aber ständig ist es ihr, als stünde das Kind hinter ihr. Mit allen Gefühlen, Ängsten, Spannungen.
    Es geht nicht weg.
    Sie weiht eine Therapeutin der Suchtberatungsstelle ein, eine verständnisvolle Frau, die sich aber mit der Bearbeitung eines möglichen sexuellen Missbrauchs überfordert glaubt und an einen anderen Therapeuten verweist. Traute vereinbart einen Gesprächstermin und fühlt sich zum ersten Mal wirklich ernst genommen. Auch Miranda, Magda, Martha, Sarah und Frieda kommen mit diesem Therapeuten ins Gespräch. Der Therapeut spürt, dass etwas Besonderes geschieht, er nimmt die Wechsel zwar wahr, kann sie aber nicht deuten. Um Klarheit zu gewinnen, bittet er, die Gespräche aufnehmen zu dürfen. Die Erinnerungen an Missbrauch hält er für glaubwürdig, wundert sich allerdings, dass Angela Lenz nicht wütend ist.
    Er weiß nicht, dass keine der Persönlichkeiten, mit denen er spricht, missbraucht worden ist. Die Kinder, die die Erlebnisse hatten und die Erinnerungen tragen, sind während der Therapiestunden unerreichbar im Inneren versteckt: Er ist ein Mann, sie haben Angst vor ihm.
    Und Delta, die echte Wut zeigen könnte, hockt weit fort in einem inneren Gefängnis. Die anderen sind einfach nicht wütend. Wut ist ein Gefühl, über das sie nicht verfügen.
    Trotzdem spürt er ihre Verzweiflung. Er will keinen Fehler machen, vielleicht hat Angela Lenz eine Psychose, denkt er und rät zur Konsultation eines Psychiaters. Fast erleichtert stürzt sich Traute auf diese Möglichkeit: Wenn sie psychotisch ist, hat sie endlich eine Erklärung für alles Verrückte, dann stimmen ihre Erinnerungen einfach nicht, sie kann regelmäßig Pillen einnehmen, und alles ist gut.
    Lieber will ich verrückt sein, denkt Traute, als diesen Bildern zu glauben. Dem Psychiater schildert sie, wie sie sich erlebt: Albträume, Schlafstörungen, Selbstverletzungen, Panikattacken, Fluchtbedürfnis, sehr wechselhaft, launisch, manchmal hätte sie das Gefühl, verfolgt zu werden, aber wenn sie sich umdrehe, sei da niemand. Von ihrer Kindheit erzählt sie nichts. Die Diagnose des Psychiaters ist eindeutig: Angela Lenz ist nicht psychotisch. Sie hat wirklich etwas erlebt. Etwas, das sie nicht verarbeitenkonnte. Sie leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Es könnte vielleicht sein, meint er, dass sie als Kind sexuell missbraucht worden sei.
    Traute ist verzweifelt. Sie will nicht, dass das die Wahrheit ist. Lieber wäre sie verrückt.
    Ihr Verhalten wird wieder auffälliger, oft läuft sie von zu Hause fort. Ihr Mann ist sehr beunruhigt, manchmal hat er das Gefühl, seine Frau hasse ihn, dann wieder ist sie zärtlich, er kann sich keinen Reim darauf machen.
    Eines Tages steht Traute plötzlich mit ihrem Kind auf dem Arm auf den Bahngleisen, und der Intercity

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