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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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– in Werbespots und Zeitungsanzeigen, auf Müslipackungen und Coladosen. Sie hasste die gedankenlosen, immergleichen Fragen: Fährst du über die Feiertage nach Hause? Mit wem verbringst du Weihnachten? Macht deine Mutter dieses Jahr Truthahn? Hilfst du ihr dabei? Nora, Jimmy und sie feierten zwar jedes Jahr den Weihnachtstag zusammen – mit Truthahn, Weihnachtsliedern und allem Drumherum –, doch es herrschte immer eine gedrückte Stimmung, und eigentlich wartete jeder nur darauf, dass es schnell vorüberging. Diesmal würde es besonders schwierig werden, weil Julia Andy zur Sprache gebracht hatte. Das Päckchen war so hübsch eingepackt. Es sah aus, als hätten sie es im Laden verpackt – in einem teuren Laden. Das Geschenkband war breit und zu einer kunstvollen Schleife gebunden, an der ein glitzernder Plastikengel hing.
Für Juju. Ich hoffe, Du freust Dich. Alles Liebe, A.J.», stand auf dem Schildchen. A.J. war der Spitzname, den Andy sich neuerdings selber gab, doch Mom meinte, Abkürzungen wären etwas für Bürokraten. Leise schloss sie die Badezimmertür hinter sich, machte das Licht an und holte tief Luft. Es waren nur noch ein paar Stunden bis zur Bescherung am Morgen, doch die Vorstellung, dass unter dem Baum ein Geschenk mit ihrem Namen darauf lag, ließ sie einfach nicht schlafen. Sie würde keine Ruhe haben, bis sie wusste, was darin war. Jetzt zog sie die Schleife zur Seite, schob das Brotmesser unter das Klebeband und schlug das schwere Papier zurück. Dann holte sie die Schachtel heraus, vorsichtig, um sie nachher wieder zu verpacken, damit niemand merkte, dass sie spioniert hatte. Als sie die Aufschrift Cosby’s Sporting Goods sah, stockte ihr der Atem. Sie wischte sich die Hände an ihrem Bademantel ab, dann klappte sie den Deckel auf und schlug das Seidenpapier zurück. Im schwachen Licht der kaputten Badezimmerlampe glänzte die weiße Satinjacke der New York Rangers, die sie sich immer schon gewünscht hatte. Zum Geburtstag, zu Weihnachten. Es war das Einzige, was Julia unbedingt haben wollte, doch die Jacke kostete fast hundert Dollar, und ihre Mom sagte, sie sei viel zu teuer. Jetzt lag sie hier, für sie. Sie stellte die Schachtel auf das Waschbecken und nahm die Jacke heraus. Dann schlüpfte sie aus dem Bademantel und zog die Jacke über ihren Schlafanzug. Zärtlich strich sie über den weißen Stoff. Er war so glatt ...
Passt sie?», meldete sich eine Stimme vor der Tür. Julia zuckte zusammen und schlang sich die Arme um den Leib.
Komm schon, Juju», flüsterte Andy.
Passt sie?»
« Julia?», fragte Lat.
« Nein», sagte sie langsam und versuchte, die Geister zu verscheuchen.
« Ich bin Weihnachten bei meinem Onkel und meiner Tante. Sie leben hier in Fort Lauderdale.» Sie schluckte, « Und Sie?»
« Ich weiß es noch nicht. Vielleicht segle ich mit einem Freund zu den Bahamas. Er hat ein Fischerboot – übrigens auch in Fort Lauderdale –, und dieses Jahr ist seine Exfrau an der Reihe, die Ferien mit den Kindern zu verbringen.»
« Weihnachten auf hoher See? Das klingt verlockend», sagte Julia. Erst in diesem Moment fiel ihr auf, dass es nur noch eine Woche bis Weihnachten war und sie und Rick kein einziges Mal über die Feiertage gesprochen hatten. Sie hatte kerne Ahnung, wie er die Tage verbringen würde.
« Sie sind jederzeit willkommen», sagte Lat.
« Danke für die Einladung. Kann sein, dass ich irgendwann darauf zurückkomme,»
« Eierlikör wird völlig überbewertet. Ich lege einen Tannenzweig neben die Pina Colada.» Sie schwieg einen Moment, dachte an den eigentlichen Grund, warum sie beschlossen hatte, Lat anzurufen.
« Sind Sie noch dran?», fragte er.
« Darf ich Sie um einen Gefallen bitten, Lat?», sagte sie schnell, wickelte sich die Telefonschnur um den Finger und schloss die andere Hand nervös um die Vierteldollarmünzen.
« Können Sie über das NCIC etwas für mich herausfinden?» Das National Crime Information Center war ein Netzwerk, über das man Einsicht in die Polizeiakten sämtlicher Bundesstaaten nehmen konnte. Im Grunde war es eine Straftat, Akteneinsicht zu nehmen, wenn es dabei nicht um eine aktuelle Ermittlung ging. Julia hatte noch nie zuvor jemanden darum gebeten, etwas Illegales für sie zu tun, und sie fühlte sich schuldig, weil sie Lat zu ihrem Komplizen machte. Doch sie selbst hatte keinen Zugriff auf die Datenbank.
« Natürlich. Um wen geht es denn?», erwiderte Lat, ohne zu zögern. Falls er ahnte, dass die Sache nicht ganz in Ordnung

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