Vater unser
Stirn. Vielleicht war sie paranoid, aber sie hätte schwören können, dass die Falte zwischen seinen Brauen noch tiefer wurde.
« Das ist korrekt, Euer Ehren», erwiderte Rick kalt. Über den Mittelgang hinweg reichte er Levenson ein Blatt Papier.
« Vor allem, weil die Staatsanwaltschaft in diesem Fall die Todesstrafe fordern wird. Ich habe den Beschluss bereits in den Akten vermerkt.»
« Ja, ich habe ihn hier.» Ein elektrisiertes Raunen erhob sich in der Menge. Einer der Angeklagten kicherte, ein anderer rief:
« Jiee-ha!» Farley brachte sie mit einem bösen Blick zum Schweigen.
« Vielleicht sollte sich Ihr Mandant jemanden suchen, der sich längerfristig um seine Patienten kümmert und seine Topfpflanzen gießt, Mr. Levenson», sagte er, als sich die Menge etwas beruhigt hatte.
« Nur so als Vorschlag. Na schön, dann suchen wir mal einen Termin für die Verhandlung. Gib mir etwas in Bälde, Ivonne. Diesen Prozess will ich noch erleben.»
« Der neunte Februar für den Bericht. Der dreizehnte für die Verhandlung», sagte Ivonne.
« Wessen Prozesswoche ist das?», fragte Farley.
« Es ist eine B-Woche.»
« Gut. Der neunte Februar für den Bericht –» Julia sah Rick an. Die Bekanntmachung, dass die Staatsanwaltschaft die Todesstrafe forderte, hörte sie zum ersten Mal offiziell.
« Julia Valenciano für die Anklage», unterbrach sie und trat einen Schritt vor.
« Entschuldigen Sie bitte, Euer Ehren, aber das ist meine Prozesswoche. Ich möchte Sie bitten, die Verhandlung im Fall Marquette auf eine andere Woche zu verschieben.» Wieder runzelte Farley die Stirn.
« Ms. Valenciano, ich glaube kaum, dass diese Entscheidung Sie betrifft. Treten Sie zurück.» Offensichtlich waren die Neuigkeiten noch nicht bei ihm angekommen. Welche Ironie des Schicksals, dass das Zufallsprogramm des Computers von den zwanzig Richtern am Bezirksgericht von Miami ausgerechnet den Ehrenwerten Richter Leonard Farley für den Fall ausgewählt hatte. Für einen Fall, der Julias Karriere in luftige Höhen katapultieren könnte, ausgerechnet den Richter, der es darauf abgesehen hatte, ihr das Leben zur Hölle zu machen.
« Ms. Valenciano ist zweite Anwältin in diesem Fall, Euer Ehren», erklärte Rick kühl.
« Wir sollten einen Termin finden, der auch in ihren Terminkalender passt.» Totenstille senkte sich über den Gerichtssaal. Farley schwieg. Julia hatte das Gefühl, als würden tausend Augenpaare sie anstarren. Nach einer halben Ewigkeit sah Farley schließlich auf seinen Kalender.
« Okay, Ivonne, geben Sie mir einen anderen Termin. In einer A-Woche, bitte.»
« Der sechzehnte Februar für den Bericht. Der einundzwanzigste für die Verhandlung.»
« Dann sehe ich Sie alle am sechzehnten Februar wieder», sagte Farley.
« Sämtliche Anträge müssen innerhalb von dreißig Tagen bei mir eingehen. Und es gibt keinen Aufschub.» Er spähte drohend über seine Brille hinweg in den Saal.
« Wie Ms. Valenciano Ihnen gewiss bestätigen kann, habe ich alle Hände voll zu tun.»
KAPITEL 32
W OW, JETZT BIST du ein Star», sagte Dayanara lachend.
« Darf ich dich anfassen?» Die beiden saßen in einer Nische des Diners in der Nähe des Jackson Memorial, ein paar Straßen entfernt von dem Chaos, das mit Sicherheit immer noch vor dem Gerichtsgebäude herrschte.
« Denk dran, im Fernsehen sieht man immer vier Kilo dicker aus.»
« Sehr witzig. Vergiss nicht, mit wem Farley ausschließlich spricht und mit wem die Presse reden will. Mit mir wohl kaum, Day. Ich glaube, das Rampenlicht steht mir nicht.»
« Da wächst du rein.» Julia verdrehte die Augen. In der Zwischenzeit kramte Day in den Tiefen ihrer gigantischen Handtasche. Sie förderte eine Packung Einweg-Tischsets für Kinder zutage, legte eins davon vor sich auf den Tisch und arrangierte ihr Getränk, den Hamburger und die Pommes frites so darauf, dass man das grinsende Comicgesicht nicht sah.
« Ich wünschte, die Dinger würde es auch ohne die blöden Bildchen geben», murmelte sie genervt.
« Übrigens habe ich gesehen, wie deine Abteilungsleiterin dir böse Blicke zugeworfen hat. Was hat die Ziege für ein Problem?» Julia lächelte und trank einen Schluck Eistee.
« Keine Ahnung. Jedenfalls passt es ihr nicht, dass ich bei dem Fall mitmache. Und schiebt ihre Wut auf die Tatsache, dass ich mit meinen Berichten drei Monate hinterherhinke.»
« Wohl eher sechs. Ich habe das Chaos in deinem Büro gesehen.»
« Die Berichte bereiten mir im Moment die geringsten Sorgen.»
« Auch
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