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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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wahr», sagte Day, während sie das Plastikbesteck, das sie eben aus der versiegelten Packung genommen hatte, mit einem Sagrotantuch abputzte.
« Als selbsternannte Workaholic-Kollegin muss ich allerdings sagen, dass ich mir langsam Sorgen mache. Du verbringst Tag und Nacht mit diesem Fall, Schätzchen. Ich habe schon fast vergessen, wie du aussiehst, so lange haben wir nicht zusammen zu Mittag gegessen. Wenigstens kann ich dich jetzt im Fernsehen bewundern.» Sie biss in den Burger, den sie in mit Papierservietten umwickelten Händen hielt.
« Tut dein Freund eigentlich auch etwas, außer aufzustehen und die Lorbeeren einzuheimsen?» Nach der Gerichtssitzung hatte die Presse wieder Antworten verlangt, und wieder hatte Rick eine spontane Pressekonferenz gehalten, diesmal unten in der Lobby. Als Julia heute Morgen neben ihn vor die Menge getreten war und die Kameras auch auf sie gerichtet waren, hatte sie die Aufregung einen oder zwei Momente lang genossen. Sie dachte an Onkel Jimmy und Tante Nora, die am Pool Bloody Marys mixten und stolz mit ihren Selleriestangen auf Jimmys tragbaren Sony Watchman zeigten, während die Nachbarn sie baten, die Lautstärke aufzudrehen. Doch der anfängliche Thrill legte sich schnell und wurde von dem unbehaglichen Gefühl verdrängt, dass das Rampenlicht einfach nicht ihr Element war. Jedenfalls nicht in diesem Fall. Als die Fragen auf sie einprasselten, löste sie sich bald von der Menge, die Rick umgarnte, und verdrückte sich im hinteren Treppenhaus. Lat und Brill hatten offensichtlich die gleiche Idee gehabt; auf dem Rückweg zum Graham Building sah sie die beiden ein paar Minuten später im Wagen davonfahren.
« Er ist nicht mein Freund», sagte Julia.
« Zumindest nicht, dass ich wüsste. Ich schätze, das ist der Preis, wenn man bei einem Mordfall assistiert. Ich mache die Vernehmungen und die Knochenarbeit. Aber das ist schon okay. Ich lerne viel.»
« Nett gesagt. Aber lässt dein Liebhaber dich im Prozess auch irgendwas tun? Reden zum Beispiel?» Day sagte immer, was sie dachte, und sie nahm dabei kein Blatt vor den Mund – eine Eigenschaft, die Julia ebenso schätzte wie fürchtete. Rick Bellido war nicht besonders beliebt unter den Staatsanwälten – sei es wegen seiner Arroganz und Selbstgefälligkeit oder aus Neid auf seinen Posten oder sein höheres Gehalt. Im Graham Building, im Gericht und selbst an den Wasserspendern der Polizeidienststellen erzählte man sich Legenden über seine amourösen Abenteuer. Außerdem kursierte das Gerücht, dass er einer Oberstaatsanwältin, mit der er einmal zusammenarbeitete, vorgeschrieben hatte, wie sie sich vor Gericht zu kleiden habe – bis hin zur Farbe ihres Lippenstifts und der Höhe ihrer Absätze.
« Wenn du zulässt, dass er sich auch nur bei den Ohrringen einmischt, kannst du was erleben, Julia», warnte sie und schwang drohend ihre Plastikgabel.
« Keine Sorge. Bis jetzt ist es bei uns mehr ums Ausziehen gegangen.» Day hob mit gespieltem Entsetzen die Hände.
« O Gott. So genau wollte ich es gar nicht wissen.»
« Ich weiß nicht, ob er mich im Gerichtssaal etwas tun lässt», fuhr Julia fort, « aber ich sollte schon froh sein, dass er mich mit ins Boot geholt hat. Für die Chance bin ich dankbar. Und nenn ihn nicht meinen Liebhaber. Irgendwann rutscht es dir vor anderen Leuten raus. Bitte. Du hast geschworen, dass du es für dich behältst.»
« Glaub mir, er wäre geschmeichelt, wenn es rauskommt. Du bist eine bildhübsche Begleiterin. Und Männer, die sich in der Midlife-Crisis attraktive jüngere Freundinnen halten, geben gern mit ihnen an – es sei denn, es verstößt gegen die Firmenregeln. Ich sage es niemandem, wenn du drauf bestehst, aber glaub nicht, dass die meisten sich schon ihren Teil denken.»
« Vielleicht», sagte Julia und kaute nachdenklich auf einem Zwiebelring.
« Aber ich werde es ihnen nicht auf die Nase binden. Ich will mir mit diesem Fall die Sporen verdienen. Mach eine junge attraktive intelligente Begleiterin daraus.»
« Ach, Schätzchen. Die Eigenschaft habe ich mit Absicht weggelassen. Nicht, weil du sie nicht hättest, sondern weil sie in diesem Job nicht gefordert ist. Im Gegenteil, es wird sogar davon abgeraten.»
« Danke», sagte Julia und zog die Brauen hoch.
« Bitte. Und von Zwiebeln kriegst du Mundgeruch. Wenn du einen Mann hast, ist es vorbei damit. Hat deine Mutter dir das nie gesagt?» Jetzt kramte sie eine Flasche Mundwasser und Zahnseide aus der Tasche und schob sie über

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