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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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Farley. Julia glaubte, den Anflug eines Lächelns auf seinem Gesicht zu erkennen.
« Lassen Sie mich raten. Sie haben den Fall –»
« Der Staat gegen David Marquette. Seite neun. Guten Morgen, Euer Ehren», erwiderte Rick aalglatt und nahm den ersten Platz in der Schlange der Staatsanwälte ein, ohne dass sich jemand beschwerte. Mit einem leichten spanischen Akzent, den Julia noch nicht von ihm kannte, sagte er in Richtung der Gerichtsschreiberin:
« Ricardo Bellido für die Anklage.»
« Ich hörte, dass dieser Fall auf mich zukommen würde», sagte Farley. Mit einer ungeduldigen Handbewegung verscheuchte er den Pflichtverteidiger, den er mitten im Satz unterbrochen hatte, und winkte Mel Levenson heran.
« Guten Morgen, Richter», sagte er forsch und lächelte Farley ungezwungen zu, während Grossbach zu Marquette an die Geschworenenbank trat.
« Mel Levenson und Stan Grossbach für den Angeklagten, Dr. David Marquette.»
« Schön, Sie wiederzusehen», sagte Farley.
« Sieht so aus, als hätten wir heute ein paar Zuschauer.» Farley lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln.
« Meine Herren – wir haben heute ein gutes Stück Arbeit vor uns. Fangen wir also an.»
« Seite neun, der Staat gegen David Alain Marquette, Aktenzeichen F05-43254», verkündete Ivonne.
« Heute ist der zwanzigste Tag, Euer Ehren.»
« Ist der Angeklagte anwesend?», fragte Farley und blickte zur Geschworenenbank.
« Ja, Euer Ehren», sagte Levenson.
« Und auch seine Eltern.» Julia reckte den Hals, konnte Marquettes Gesicht aber immer noch nicht erkennen. Irgendjemand begann zu schluchzen. Es war Marquettes Mutter.
« Bitte, unterlassen Sie das», sagte der Richter genervt.
« Die Grand Jury hat der Anklage auf vierfachen Mord zugestimmt. Die Anklageschrift müsste der Akte beiliegen», erklärte Rick und sah sich suchend im Gerichtssaal um. Als er Julia entdeckte, forderte er sie mit einem diskreten Nicken auf, zu ihm zu kommen.
« Wir haben eine Kopie der Anklageschrift erhalten. Wir verzichten auf die Verlesung, plädieren auf nicht schuldig und verlangen die Offenlegung der prozesswichtigen Dokumente», erwiderte Levenson.
« Die Offenlegung hat innerhalb der nächsten fünfzehn Tage stattzufinden», sagte Farley und nahm einen Schluck Kaffee.
« Ivonne, wie sieht mein Terminplan aus?» Während die Gerichtsschreiberin nach einem Termin suchte, holte Julia Luft und ging nach vorn. Sie spürte die Blicke von Karyn und den anderen Staatsanwälten, von denen sich sicherlich einige fragten, was sie dort zu suchen hatte. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass David Marquette endlich den Kopf gehoben hatte. Bei seinem Anblick stockte Julia der Atem. Nichts mehr war übrig von dem jungen attraktiven Arzt mit den weichen Zügen und dem lockeren, selbstbewussten Lächeln, den sie von den Fotos kannte. Marquette war nur ein Schatten seiner selbst. Innerhalb der kurzen Zeit hatte er Gewicht verloren. Seine Haut war fahl, das Gesicht eingefallen, das blonde Haar klebte strähnig an seinem Kopf, und graublonde Bartstoppeln bedeckten sein Kinn. Er klammerte sich am Geländer der Geschworenenbank fest, sodass Julia die Adern auf seinen gefesselten Händen hervortreten sah. Die unheimlichen hellgrauen Augen starrten ins Nichts, leblos und leer, wie bei einer Schaufensterpuppe – er sah alles, doch er nahm nichts wahr. Stan Grossbach stand vor der Geschworenenbank und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Wahrscheinlich erläuterte er den Ablauf der Anklageerhebung, doch Marquette reagierte nicht. Als Farley nach Levensons erneutem Antrag auf Kaution einige der grausigeren Punkte der Anklageschrift vorlas, blinzelte Marquette nicht einmal. Julia bekam Gänsehaut und wandte den Blick ab. Die ganze Szene erinnerte sie an einen Wanderzirkus aus dem letzten Jahrhundert, der seine Hauptattraktion vorführte: das grässliche menschliche Monster, die Missgeburt in einem Käfig. Und das entsetzte Publikum schnappte nach Luft – voller Abscheu und Faszination.
« Ich werde dem Antrag auf Kaution nicht stattgeben», sagte Richter Farley schließlich kopfschüttelnd.
« Wenn Sie ein Arthur-Hearing wollen, dann tragen Sie Ihre Argumente Richterin Solly vor. Wenn sie Ihrem Antrag stattgibt, habe ich damit kein Problem. Allerdings bin ich ziemlich sicher», fügte er mit einem wissenden Blick in Ricks Richtung hinzu, « dass Mr. Bellido damit ein Problem hätte.» In diesem Moment fiel Farleys Blick auf Julia, und er runzelte die

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