Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
Vom Netzwerk:
international Aufmerksamkeit erregen.» Er füllte die beiden Gläser und kehrte ins Wohnzimmer zurück.
« Vor ein paar Jahren hatten wir hier diesen Italiener vor Gericht – Venezia hieß er, Pietro Venezia. Er hatte keine Lust, die Mehrwertsteuer abzuführen, die er in seinem Restaurant in Miami einnahm. Irgendwann hat so ein kleiner Sesselfurzer vom Finanzamt routinemäßig seine Konten sperren lassen. Venezia hat es persönlich genommen. Er hat den armen Teufel im Telefonbuch nachgeschlagen und ihm, als er gerade den Weihnachtsbraten aus dem Wagen holte, die Birne weggeblasen. Als Nächstes hüpft Venezia ins Flugzeug heim nach Bella Italia. Als Interpol ihn endlich aufspürt und festnehmen will, verweigert Italien die Auslieferung, falls wir nicht auf die Todesstrafe verzichten. Wozu wir uns gegen meine Bedenken bereiterklärten. Doch das war den Italienern nicht genug. Sie trauten uns nicht und ließen verlautbaren, dass sie ihn nicht gehen lassen würden, bis wir von Mord auf Totschlag runtergehen. Und selbst das reichte nicht. Am Ende beschloss die italienische Regierung, Venezia in Italien nach italienischem Gesetz den Prozess zu machen, wegen eines Verbrechens, das er hier in Florida begangen hat. Sie haben das ganze italienische Gericht hier rübergekarrt, um die Zeugen zu vernehmen.»
« Wie ist es ausgegangen?»
« Nachdem alle ihren netten Urlaub genossen hatten, flogen sie nach Hause und verurteilten ihn zu zwanzig Jahren. Aber er kommt bald raus, wenn er es nicht schon ist. Für mich ist das keine Gerechtigkeit, verstehst du? Das habe ich auch der Witwe gesagt, die in der Küche die Supermarkttüten auspackte, während ihr Mann vor dem Wagen erschossen wurde. Wenn Venezia Italien je wieder verlässt, dann krieg ich ihn. Und diesmal kenne ich keine Gnade.» Julia sagte nichts. Leichte Jazzmusik tönte aus den Lautsprechern. Sie spürte, wie der Alkohol sie entspannte.
« Ich hatte nicht erwartet, dass du heute die Todesstrafe beantragen wurdest», sagte sie plötzlich und war selbst überrascht von ihren Worten.
« Was meinst du? Dass ich den Antrag heute gestellt habe oder dass ich ihn überhaupt stelle?», fragte Rick leise. Julia schwieg. Dann sagte sie:
« Beides wahrscheinlich. Ich dachte, das Thema würde erst später aufkommen.»
« Hast du ein Problem damit?» Er zog eine Augenbraue hoch, und in seinen dunklen Augen las sie die eigentliche Frage: Du gehörst doch nicht zu den Weicheiern, oder? Sie schüttelte den Kopf.
« Nein, nein. Ich hatte bloß nicht damit gerechnet.» Das ist doch Quatsch», hatte Onkel Jimmy ins Telefon geschrien. Er schlug gegen den Kühlschrank, dass Tante Noras Obstmagneten und Zettel zu Boden fielen. Jimmy, Jimmy, bitte. Julia ist drüben», hatte Tante Nora ihn flüsternd angefleht.
Entschuldige», sagte Jimmy und sprach leiser, sodass Julia aus ihrem Bett aufstehen und die Tür weiter aufmachen musste, um lauschen zu können.
Aber es macht mich so wütend.» Durch den Spalt sah sie, wie er mit rotem Gesicht in der Küche auf und ab lief. Tante Nora saß am kleinen Esstisch und umklammerte mit beiden Händen ein Spültuch.
Was wollen sie von uns, Jimmy?», flüsterte Nora weinend.
Sie soll da nicht noch einmal durch.»
Ich weiß, dass es nicht Ihre Entscheidung ist, aber – ja, ja, das weiß ich auch», sagte Jimmy ins Telefon.
Hören Sie . .. Nein, jetzt hören Sie mal zu. Das Schwein soll für das, was er getan hat, zur Rechenschaft gezogen werden. Auge um Auge. Haben Sie die Fotos gesehen? Haben Sie gesehen, was er ihnen angetan hat? Sie fragen mich, was wir erwarten? Wir wollen, dass er dafür hängt. Das ist Gerechtigkeit.» Julia versuchte, die kalte Erinnerung zu verscheuchen.
« Was glaubst du, ist in seinem Leben schiefgelaufen?», fragte sie leise und dachte an die Fotos an den hellgelben Wänden. Nichts war, wie es schien.
« Ich meine, er hatte so ein perfektes Leben ...»
« Glaube niemals, dass du das Leben eines anderen Menschen wirklich kennst, Julia. Du weißt nur, was derjenige dich wissen lässt. Wenn du das beherzigst, wird dich nichts und niemand mehr überraschen können.» Rick trat hinter sie, hob ihre langen Locken an und strich mit dem feingeschliffenen Fuß seines Weinglases sanft über ihren Nacken. Ein wohliges Prickeln lief über ihre Haut. Sie schloss die Augen. Rick ließ ein wenig Wein auf ihre Haut tropfen und küsste ihn behutsam weg, bevor er in den Ausschnitt ihrer Seidenbluse rann. Julias Atem beschleunigte sich, und sie

Weitere Kostenlose Bücher