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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Vermeidung rassischer Schädigung ist es nötig, daß Paare sich vor der Eheschließung einer ärztl i chen Untersuchung unterziehen.« »Eheschließung zw i schen Personen, die an Geschlechtskrankheiten, angebor e nem Schwachsinn, erblicher Fallsucht oder erblicher kö r perlicher Mißbildung leiden (siehe Sterilisierungsgesetz, 1933) ist nur zulässig nach Vorlage einer Sterilisierungsb e scheinigung.« Es gab Tabellen: »E i ne Übersicht über die Zulässigkeit von Eheschließungen zwischen Ariern und Nichtariern.« »Das Überwiegen von Mischlingen ersten Grades«, Für Xaver März war das alles unverständliches Kauderwelsch.
    Fiebes sagte: »Das meiste davon ist heute veraltet. Vi e les bezieht sich auf Juden, und die Juden sind, wie wir wi s sen« - er zwinkerte -»alle in den Osten gegangen. Aber der St u ckart ist in meinem Geschäft immer noch die Bibel. Der wahre Grundstein März gab ihm das Buch zurück. Fiebes umschlang es wie einen Säugling. »Was ich nun wirklich sehen muß«, sagte März, »ist die Akte über Stuckart s Tod.«
    Er war auf eine Auseinandersetzung vorbereitet. Statt dessen machte Fiebes nur eine allumfassende Geste mit seiner Schnapsflasche.
    »Na los.«
    Die Kripo-Akte war alt. Sie reichte über mehr als ein Vie r teljahrhundert zurück. 1936 war Stuckart Mitglied des »Ausschusses für den Schutz des deutschen Blutes« im Innenministerium geworden - einem Tribunal aus Bea m ten, Rechtsanwälten und Ärzten, das über Anträge auf Eh e schließung zwischen Ariern und Nichtariern zu befi n den hatte. Kurz danach begann es, daß der Polizei anon y me Anschuldigungen zugingen, Stuckart stelle Heiratsgene h migungen gegen Bargeld aus. Außerdem hatte er offenbar von einigen der betroffenen Frauen g e schlechtliche Gunst gefordert.Der erste namentliche Klageführer war ein Dor t munder Schneider, ein Herr Maser, der sich bei seiner ör t lichen Parteidienststelle beschwert hatte, seine Verlobte sei belästigt worden. Seine Aussage war an die Kripo weite r geleitet worden. Es gab keinerlei Unterlagen über irgen d welche Untersuchungen. Statt de s sen waren Maser und seine Freundin in Konzentrationslagern verschwu n den.
    Eine ganze Reihe anderer Berichte, einschließlich so l cher von Stuckalts Blockwart während des Krieges, befa n den sich in der Akte. Nie war etwas unternommen wo r den.
    1953 hatte Stuckart eine Beziehung zu einer 18jährigen Warschauerin namens Maria Dymarski aufgenommen. Sie hatte behauptet, bis 1720 zurück deutsche Ahnen zu haben, nur um einen Hauptmann der Wehrmacht heiraten zu kö n nen. Die Fachleute des Ministeriums des Inneren waren zu dem Schluß gelangt, daß die vorgelegten Dokumente Fä l schungen seien. Im folgenden Jahr hatte man der Dymarski die Genehmigung erteilt, als Hausgehilfin in Berlin zu a r beiten. Als Arbeitgeber war Wilhelm Stuckart eingetragen. März sah auf. »Wie konnte er denn damit zehn Jahre lang durchkommen?«
    »Er war schließlich Obergruppenführer, März. Über e i nen solchen Mann beschwert man sich nicht. Erinnern Sie sich daran, was mit Maser passierte, als er sich beschwert hatte? Außerdem hatte niemand Beweise - damals.« »Und jetzt gibt es Beweise?« »Sehn Sie in den Umschlag.«
    In der Akte lag ein großer brauner Umschlag, und darin waren ein Dutzend Farbfotos von aufregend guter Qualität, die Stuckart und Dymarski im Bett zeigten. Weiße Körper auf roten Satinlaken.
    Die Gesichter - auf einigen Aufnahmen verzerrt, auf a n deren entspannt - waren leicht zu erkennen. Sie waren alle vom selben Blickpunkt aus aufgenommen worden, entlang des Bettes. Der Körper des Mädchens, fahl und untere r nährt, sah unter dem des Mannes zerbrechlich aus. Auf e i ner Aufnahme saß sie rittlings auf ihm - die dünnen weißen Arme hinter dem Kopf verschlungen, das Gesicht der K a mera zugewandt. Breite, slawische Gesichtszüge. Aber mit ihrem schulterlangen blondgefärbten Haar hätte sie als eine Deutsche durchgehen können.
    »Die sind aber doch nicht in jüngster Zeit aufgeno m men?«
    »Vor rund zehn Jahren. Er ist grauer geworden. Sie hat ein bißchen Fleisch angesetzt. Je älter sie wurde, desto mehr sah sie wie ne Hure aus.«
    »Haben wir irgendeine Vorstellung, wo das ist?« Der Hintergrund bestand aus verwischten Farben. Das braune Kopfende des Bettes, rot und weiß gestreifte Tapeten, eine Lampe mit gelbem Schirm; es hätte überall sein können.
    »Das ist nicht seine Wohnung - wenigstens nicht so, wie sie heute dekoriert

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