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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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ist. Ein Hotel, vielleicht ein Bordell. Die Kamera ag hinter einem Zweiwegspiegel. Sehn Sie, wie die manchmal in die Kamera zu starren scheinen? Ich hab den Blick hunderte Male gesehen. Die überprüfen sich dann im Spiegel.«
    März sah sich jede der Aufnahmen von neuem an. Glanzabzüge, nicht zerkratzt - neue Abzüge von alten N e gativen. Die Art von Aufnahmen, die einem ein Zuhälter in einer der Hinterstraßen von Kreuzberg verkaufen mochte. »Wo haben Sie die gefunden?« »Direkt neben den Leichen.
    Stuckart hatte zunächst seine Mätresse erschossen. Dem Autopsiebericht zufolge hatte sie voll bekleidet und mit dem Gesicht nach unten auf dem Bett in Stuckarts Wo h nung am Fritz-Todt-Platz gelegen. Er hatte ihr eine Kugel mit seiner SS-Luger in den Hinterkopf geschossen (wenn das stimmt, dachte März, hat der alte Bürohengst die ve r mutlich zum ersten Mal gebraucht). Spuren an Baumwolle und Daunen in der Wunde deuteten darauf hin, daß er die Kugel durch ein Kissen gefeuert hatte. Dann hatte er sich selbst auf die Kante des Bettes gesetzt und sich offenbar durch den Gaumen geschossen. Auf den Tatortaufnahmen war keine der beiden Leichen zu erkennen. St uckarts Hand umklammerte die Pis tole noch immer.
    »Er hat eine Nachricht hinterlassen«, sagte Fiebes, »auf dem Tisch im Eßzimmer.«
    »Durch diese Tat hoffe ich, meiner Familie, dem Reich und dem Führer Peinlichkeiten zu ersparen Heil Hitler! Lang lebe Deutschland! Wilhelm Stuckart.« »Erpressung?« »Vermutlich«
    »Wer hat die Leichen gefunden?« »Das ist das Beste daran« Fiebes spie die Wörter aus wie Gift: »Eine amer i kanische Journalistin«
    Ihre Aussage befand sich in den Akten: Charlotte Magu i re, 25 Jahre, Berliner Vertreterin einer amerikanischen Nachric h tenagentur, der >World European Features<. »N richtiges kleines Miststück. Fing im gleichen Augenblick, in dem sie reingebracht wurde, an, nach ihren Rechten zu schreien.
    Rechte!« Fiebes nahm einen weiteren Schluck Schnaps. »Scheiße, aber ich nehm an, wir müssen zu Amerikanern jetzt nett sein, oder?«
    März schrieb sich ihre Adresse auf. Der einzige andere Zeuge, der befragt worden war, war der Portier in Stuckarts Wohnblock.
    Die Amerikanerin behauptete, sie habe zwei Männer auf der Treppe gesehen, unmittelbar vor der Entdeckung der Leichen; aber de r Portier beharrte darauf, daß da niemand gewesen sei.
    März sah plötzlich auf. Fiebes fuhr zusammen. »Was ist los?«
    »Nichts. Vielleicht ein Schatten an Ihrer Tür.«
    »Mein Gott, dieses Büro.. « Fiebes stieß die Milchgla s tür auf und sah nach beiden Seiten in den Korridor. Wä h rend er ihm den Rücke n zukehrte, löste März den U m schlag, der hinten in die Akte eingeheftet war, und schob ihn in seine Tasche.
    »Niemand.« Er schloß die Tür. »Sie verlieren die Ne r ven, März.«
    »Überwache Phantasie war schon immer mein Verhän g nis.« Er schloß den Aktenhefter und stand auf.
    Fiebes schwankte und schielte. »Wolln Se das nich mi t nehm? Arbeitense da nich mit der Gestapo dran?«
    »Nein. Eine andere Angelegenheit.«
    »Oh.« Er ließ sich schwer nieder. »Als Sie gesacht ham >Staatssicherheit<, hab ich angenomm ... Spielt keine Ro l le. Habs nich mehr a m Hals. Die Gestapo hat übe r nomm, Gott-seidank. Obergruppenführer Globus hat die Veran t wortung übernomm. Sie müssen doch vo n ihm g e hört kam? N Gurgelschlitzer, stimmt schon, aber der wird das schon auseinandersortiern.«
    Das Informationsbüro am Alexanderplatz hatte Luthers Adresse.
    Den Polizeiverzeichnissen zufolge lebte er immer noch in Dahlem.
    März steckte sich eine weitere Zigarette an und wählte dann die Nummer. Das Telefon klingelte lange - ein kahles unfreundliches Ech o irgendwo in der Stadt. Gerade als er auflegen wollte, antwore eine Frau.
    »Ja?«
    »Frau Luther?«
    »Ja.« Sie klang jünger, als er erwartet hatte. Ihre Stimme war belegt, als ob sie geweint hätte.
    »Mein Name ist Xaver März. Ich bin Fahnder der Berl i ner Kriminalpolizei. Könnte ich Ihren Mann sprechen?«
    »Tut mir leid... ich versteh das nicht. Wenn Sie von der Polizei sind, dann wissen Sie doch sicher ... «»Wissen? Was wissen?«
    »Daß er vermißt wird. Er ist seit Sonntag verschwu n den.« Sie fing wieder an zu weinen.
    »Es tut mir leid, das zu hören.« März balancierte seine Zigarette auf dem Rand des Aschenbechers.
    Gott im Himmel, noch einer.
    »Er hat gesagt, daß er in Geschäften nach München fährt und am Montag zurück ist.« Sie putzte sich

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