Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
Mitgliedsstaaten wurden von Punk t strahlern angeleuchtet. Das Hakenkreuz, das über ihnen flatterte, war doppelt so groß wie die übrigen Fahnen. »E r zählen Sie mir von Stuckart. Wie gut haben Sie ihn g e kannt?«
    »Praktisch überhaupt nicht. Ich hab ihn durch meine E l tern kennengelernt. Mein Vater war vor dem Krieg hier an der Botschaft. Er hat eine Deutsche geheiratet, eine Scha u spielerin. Das ist meine Mutter. Monika Koch, haben Sie je von ihr gehört?« »Nein, ich glaube nicht.« Ihr Deutsch war einwandfrei. Sie mußte es von Kindheit an ge-sprochen haben; ihre Mutter, kein Zweifel. »Sie wird traurig sein, das zu hören. Sie glaubt, daß sie hier ein großer Star war. Nun ja, beide haben Stuckart flüchtig gekannt. Als ich im letzten Jahr nach Berlin kam, haben sie mir eine Liste von Leuten mitgegeben, die ich besuchen und mit denen ich sprechen sollte - Kontakte. Die Hälfte davon stellte sich auf die eine oder andere Weise als tot heraus. Die meisten der übrigen wollten mich nicht treffen. Amerikanische Journ a listen sind keine gesundheitsfördernde Gesellschaft, wenn Sie wissen, was ich meine. Stört es Sie, wenn ich rauche?«
    »Nur zu. Wie war Stuckart?«
    »Scheußlich.« Ihr Feuerzeug flammte in der Dunkelheit auf; sie inhalierte tief. »Er hat mich begrabscht, obwohl gleichzeitig diese Frau in der Wohnung war. Das war kurz vor Weihnachten. Danach hab ich mich von ihm ferngeha l ten. In der vergangenen Woche kam dann eine Mitte i lung von meinem Büro in New York. Sie wollten was zu Hitlers 75. Geburtstag, Gespräche mit einigen von den Leuten, die ihn noch aus der alten Zeit kennen.« »Und da haben Sie Stuckart angerufen?« »Richtig.«
    »Und ein Treffen mit ihm für Sonntag verabredet, und als Sie hinkamen, war er tot?« »Wenn Sie schon alles wi s sen«, sagte sie ärgerlich, »warum müssen Sie denn dann noch mal mit mir sprechen?« »Ich weiß noch nicht alles, mein Fräulein. Darum geht es.« Danach fuhren sie schwe i gend weiter.
    Der Fritz-Todt-Platz befand sich ein paar Blocks von der Siegessäule entfernt. Mitte der fünfziger Jahre angelegt als Teil des Weiterentwicklungsplanes von Speer für die Stadt, war er ein Quadrat aus teuer aussehenden Gebäuden mit Eigentumswohnungen, die um einen kleinen Gedenkpark errichtet worden waren. In der Mitte stand eine absurd he l dische Statue von Todt, dem Erbauer der Autobahnen, g e schaffen von Professor Thorak. »Wo ist die von Stuckart?«
    Sie zeigte auf einen Block an der anderen Seite des Pla t zes. März ir um ihn herum und parkte davor. »Welches Stockwerk?« »Viertes.«
    Er blickte hoch. Das vierte Stockwerk war dunkel. Gut.
    Todts Statue wurde von Flutlicht bestrahlt. In der W i derspi egelung des Lichtes war ihr Ge sicht weiß. Sie sah aus, als werde ihr übel. Dann erinnerte er sich an die Fot o grafien, die Fiebes ihm von den Leichen gezeigt hatte - Stuckarts Schädel war ein Krater gewesen, wie eine au s tropfende Kerze -, und da verstand er. Sie sagte: »Ich muß das doch nicht machen, oder?« »Nein. Aber Sie werden.« »Warum?«
    »Weil Sie ebensosehr wie ich wissen wollen, was pa s siert ist. DeshaIb sind Sie doch bis hierher mitgekommen.« Sie starrte ihn erneut an, drückte dann ihre Zigarette aus, indem sie in den Aschenbecher drehte und zerbrach. »Dann lassen Sie uns rasch machen. Ich will zu meinen Freunden zurück.«
    Die Schlüssel zum Gebäude waren immer noch in dem Umschlag, den März aus Fiebes Akte entfernt hatte. Es waren insgesamt fünf. Er fand den, der zur Eingangstür paßte, und ließ sie in die Eingangshalle ein. Sie war von vulgärem Luxus, im neuen Reichsstil - weißer Marmorfu ß boden, Kristallüster, vergoldete Stühle des 19. Jah r hunderts mit roter Plüschpolsterung, die Luft parfümiert mit g e trockneten Blumen. Kein Portier, Gottseidank:
    seine Schicht war wohl zu Ende. Tatsächlich schien das ganze Gebäude verlassen. Vielleicht hatten die Bewohner sich in ihre Zweithäuser auf dem Land zurückgezogen. Berlin konnte in der Woche vor Führers Geburtstag uner t räglich überfüllt sein. Dann flüchteten die Feinen immer aus der Hauptstadt. »Und jetzt?«
    »Erzählen Sie mir einfach, was sich abgespielt hat.«
    »Der Portier war an seinem Tisch, hier«, sagte sie. »Ich fragte nach Stuckart. Er wies mich in den vierten Stock. Ich konnte den Aufzug nicht nehmen, weil er gerade repariert wurde. Ein Mann arbeitete darin. Also ging ich zu Fuß.« »Wie spät war es?« »Genau 12.00 Uhr.« Sie

Weitere Kostenlose Bücher