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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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der geheimnisvollen Aura der politischen Detektivgeschichte.
    REINHARD HEIDRIC H

EINS
    Die Berliner Börse hatte vor dreißig Minuten eröffnet. Auf der Schautafel im Fenster der Union des Banques Suisses in der Zürcher Bahnhofstraße klickten die Zahlen wie Stricknadeln. Bayer, Siemens, Thyssen, Daimler - auf, auf, auf, auf. Die einzigen Aktien, die bei Entspannungsme l dungen fielen, waren die von Krupp.
    Elegant gekleidete Geschäftsleute hatten sich wie jeden Morgen unruhig versammelt, um diesen Monitor der wir t schaftlichen Gesundheit des Reiches zu beobachten. Die Preise an der Börse waren seit sechs Monaten gefallen und eine der Panik nahe Stimmung hatte die Investoren ergri f fen. Aber in dieser Woche war dank des alten Joe Kennedy - der wußte über die Märkte genau Bescheid, der alte Joe: hatte zu seiner Zeit in der Wall Street ein e halbe Milliarde gemacht -, ja, dank Joe war die Talfahrt zum Stehen g e kommen. Berlin war glücklich. Jeder war glücklich. Ni e mand achtete auf das Pärchen, das da die Straße vom See heraufspaziert kam, zwar nicht Hand in Hand, aber eina n der nahe genug, daß sich ihre Körper ab und zu berührten, und dem zwei gelangweilt dreinblickende Herren in re h braunen Regenmänteln folgten. März hatte an dem Nac h mittag, bevor er aus Berlin abflog, eine kurze Einfü h rung in die Bräuche und Praktiken des Schweizer Bankw e sens erhalten.
    »Die Bahnhofstraße ist das Finanzzentrum. Sie sieht wie die Haupteinkaufsstraße aus und ist es auch. Aber die Höfe hinter den Geschäften und die Büros über ihnen, die sind wichtig. Da findet man die Banken. Aber man muß seine Augen offenhalten. Die Schweizer sagen: Je älter das Geld ist, desto schwieriger ist es zu sehen. In Zürich ist das Geld so alt, daß es unsichtbar geworden ist« Unter den Pflaste r steinen und den Tramschienen der Bahnhofstraße erstrec k ten sich die Gewölbekatakomben, in denen drei Generati o nen von Europas Reichen ihren Reichtum vergraben hatten. März blickte auf die Einkaufsbummler und die Touristen, die die Straße entlangströmten, und fragte sich, auf welche alten Träume und Geheimnisse, auf welche Gebeine sie wohl tr a ten. Diese Banken waren kleine Familienkonzerne. Ein oder zwei Dutzend Angestellte, eine Büroflucht, eine kleine Me s singplatte. Zaugg & Cie war typisch. Der Ei n gang befand sich in einer Seitenstraße, hinter einem Juw e lier, überwacht von einer ferngesteuerten Kamera, die der vor Zauggs Villa glich. Als März die Klingel neben der diskreten Tür läutete, fühlte er, wie Charlie seine Hand streichelte.
    Eine Frauenstimme fragte über die Sprechanlage nach seinem Namen und seinem Anliegen. Er blickte in die K a mera. »Mein Name ist März. Das hier ist Fräulein M a guire. Wir möchten Herrn Zaugg sprechen.« »Haben Sie eine Verabredung?« »Nein«
    »Der Herr Direktor empfängt niemanden ohne Verabr e dung.« »Sagen Sie ihm, wir haben ein Beglaubigung s schreiben für das Konto Nummer 2402.« »Einen Auge n blick, bitte.«
    Die Polizisten lungerten am Eingang der Seitenstraße herum.
    März sah Charlie an. Ihm schien es, als seien ihre Augen strahlender, ihre Haut schimmernder. Er nahm an, er schmeichle sich selbst. Alles sah heute erhöht aus - die Bäume waren grüner, die Blüten weißer, der Himmel blauer, wie mit einem Glanzmittel gewaschen.
    Sie trug eine lederne Schultertasche, aus der sie nun eine Kamera zog, eine Leica. »Ich mach eine Aufnahme fürs Familienalbum.« »Wie du willst. Aber laß mich aus.« »Welche Bescheidenheit.«
    Sie machte eine Aufnahme von Zauggs Tür und Firme n schild. Die Stimme der Empfangsdame schnappte über den Hausruf.
    »Bitte kommen Sie in die zweite Etage.. Ein Summen von gelösten Riegeln, und März stieß die schwere Tür auf. Das Gebäude war eine optische Täuschung. Klein und nichtssagend von außen, innen ein Treppenhaus aus Glas und Chromrohren, das in eine weit e Empfangshalle führte, die mo derne Kunst schmückte. Hermann Zaugg erwartete sie. Neben ihm stand eine der Leibwachen von gestern abend.
    »Herr März, ja?« Zaugg streckte die Hand aus. »Und Fräulein Maguire?« Er schüttelte ihre Hand und verneigte sich leicht. »Engländerin?« »Amerikanerin.«
    »Ah. Gut. Ic h freue mich immer, amerikanische Freu n de zu treffen« Er war wie eine kleine Puppe: silbernes Haar, rosa schimmerndes Gesicht, kleine Hände und Füße. Er trug eine n makellos schwarzen Anzug, ein weißes Hemd, eine perlgraue Krawatte. »Soviel

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