Vatermord und andere Familienvergnuegen
die ganze Verlagswelt doch so vertrocknet wie wochenalte Brotkrusten. Dieses Land ist so scheißkonservativ, dass einem das Kotzen kommt. Ein Wunder, dass hier überhaupt mal was verlegt wird.«
Vielleicht war da was dran. Vielleicht hatten die hiesigen Verleger nur Angst. Er begann davon zu reden, mir ein Flugticket nach New York zu kaufen, doch ich holte ihn so gut ich konnte zurück auf den Boden der Tatsachen. Ich wollte nicht nach New York. Ich konnte weder meine kranke Mutter allein lassen noch Terry, wo immer er stecken mochte. Ich war überzeugt, dass Terry mich irgendwann, schon sehr bald, brauchen würde, vielleicht, um ihm das Leben zu retten. Ich musste mich zur Verfügung halten.
Caroline spürte keine derartige Verpflichtung. Sie und Lionel erschienen kurz vor Einbruch der Dunkelheit an meiner Tür, um sich zu verabschieden. Sie hatten das Haus verkauft und zogen fort. Lionel umarmte mich, während Caroline kopfschüttelnd dastand. »Ich werde nicht hierbleiben, um mitansehen zu müssen, wie sie Terry umbringen«, erklärte sie.
»Verlangt auch keiner von dir«, erwiderte ich, obwohl mir dieser Gedanke gekommen war. Es fing an zu nieseln. Auch sie umarmte mich, allerdings war es nicht das leidenschaftliche Aneinanderpressen, das ich gebraucht hätte, und während ich ihr hinterherschaute, wie sie ihren blinden Vater in die Nacht entführte, hatte ich das Gefühl, meinem eigenen Menschsein zu entsagen. Ich rief »Tschüss!« hinter ihnen her, als sie in der
Dunkelheit verschwanden, aber ich hätte auch gleich sagen können: Geht ihr nur, ich bin ohnehin kein Mann. An mir ist nichts Menschliches, also weg mit euch.
Eine Woche später saß ich bei Harry vor dem Fernseher, als Terry anrief. Nachdem Harry ihn ordentlich zur Sau gemacht hatte, warf er mir den Hörer zu.
»Wie geht's dir?« Ich war völlig aufgelöst. »Es heißt, du seist angeschossen worden!«
»In den Knöchel! Wer schießt denn auf Knöchel? Mach dir mal keine Sorge, Bruder. Ich hab eine Kleine, die vollbringt mit Jod wahre Wunder. Ich bin müde, mehr aber nicht. Ansonsten bin ich okay.«
»Du bist berühmt.«
»Ist das nicht irre?«
»Das wird dich Kopf und Kragen kosten.« »Ich weiß.«
»Und was hast du jetzt vor?«
»Sieh mal. Ich hab die ganze Geschichte angefangen, ohne vorher lange drüber nachzudenken, aber ich habe ziemlich schnell begriffen, dass ich damit wirklich was erreiche, etwas, das ich wichtig finde. Alle zeigen sich von der besten Seite. Keiner betrügt mehr. Keiner spielt mehr mit gezinkten Karten. Keiner zieht mehr den anderen über den Tisch. Keiner bescheißt. Der Sport erlebt eine wahre Läuterung. Alle nehmen ihr Berufsethos wieder ernst.«
»Wie kannst du über Ethik reden! Du bist ein kaltblütiger Mörder! Ich finde, du solltest dich stellen.«
»Bist du verrückt? Das hier bin ich! Für das hier bin ich ausersehen!«
»Caroline ist nach Hause gekommen.«
Durch die Leitung vernahm ich ein scharfes Luftholen. Dann konnte ich hören, wie Terry sich bewegte, einen Stuhl über den Fußboden zerrte und sich schließlich hinsetzte.
»Wo ist sie? Weiß sie Bescheid? Kannst du ihr was ausrichten?«
»Sie ist schon wieder weg.«
Er holte noch einmal Luft, diesmal tiefer, und ich wartete geschlagene dreißig Sekunden, bevor ich ihn wieder ausatmen hörte. Dann öffnete er knackend eine Dose mit irgendwas und trank etwa die Hälfte davon, so hörte es sich zumindest an. Er sagte immer noch nichts. Carolines Abwesenheit schien auf uns beiden schwerer zu lasten als Mord.
»Und, wirst du nun aufhören oder nicht?«, fragte ich.
»Hör zu, Marty, eines Tages wirst du das alles verstehen. Wenn du selber an etwas glaubst. Hoppla. Ich muss Schluss machen. Pizza ist da.«
»He, ich glaube an -«
Klick.
Ich legte den Hörer auf und trat gegen die Wand. Es ist normal, dass man denkt, die Gesetze der Physik wären außer Kraft, wenn man wütend ist, und ein wütender Tritt könne glatt die Wand durchschlagen. Ich kümmerte mich um meinen verletzten Zeh, aufgewühlt bis ins Innerste. Der Grad an Genugtuung in Terrys Stimme hatte mich echt an den Rand gebracht. Er hatte mir keine Gelegenheit gegeben, ihm zu erzählen, dass auch ich meine Bestimmung gefunden hatte. Auch ich machte etwas Bedeutsames. Er wusste nicht, dass ich von Harrys Werk gefesselt war und es nun an mir lag, einen Verlag dafür zu finden. Tja, wie sollte er auch? Und ich fand ja auch gar keinen Verlag. Und warum nicht? Terry tat alles
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