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Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Titel: Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Zöller
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sich verstecken muss, und ich rede sogar von unserem Geheimbriefkasten. Wo er ist, verrate ich allerdings nicht. Und auch meine Vermutung, dass Herr Berning der geheime Bote ist, erwähne ich nicht.
    Ihre Augen werden groß und größer. »Das ist aber ganz schön starker Tobak. Du weißt schon, dass so etwas gefährlich ist und deinem Vater gar nicht gefallen würde? Vom Führer mal ganz zu schweigen …«
    Soll das eine versteckte Drohung sein? Jetzt bekomme ich doch etwas Angst. »Du behältst es aber für dich?«, frage ich zaghaft.
    »Klar. Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen.«
    Und nun erzähle ich ihr auch noch von dem Swingjungen und was Franziska damit gemeint hat, dass sie mir nicht mehr vertrauen könne.
    »Ich hätte an deiner Stelle genauso gehandelt«, beruhigt Gertrud mich. »Und Werner müsste das doch verstehen, dass du deinem Vater gegenüber nicht schweigen durftest.«
    »Für ihn ist es ja wirklich dumm gelaufen«, sage ich. »Aber ganz ehrlich, seit ich gesehen habe, wie sie den Swingjungen in der Gutenbergstraße zugerichtet haben, weiß ich nicht, wer mir mehr leid tut. Der ist so alt wie wir, vielleicht ein Jahr älter.«
    »Wer zu den Swingheinis gehört, der weiß, was er tut, und der muss immer damit rechnen, erwischt zu werden. Mach dir mal keinen Kopf, dass er deinetwegen verprügelt wurde. Das ist es doch, was dich bedrückt?« Gertrud sieht mich fragend an.
    Ich nicke. Ja, das ist auch etwas, was mich bedrückt, und es tut gut, endlich mit jemandem darüber sprechen zu können!
     
    Unser Landeinsatz endet mit einem riesigen Kartoffelfeuer. Am Samstagabend rösten wir Kartoffeln in der Glut, singen zu Marias Gitarrenklängen und bedauern zutiefst, dass diese zwei Wochen so schnell vergangen sind.

15. Wie ein Filmstar
    Am nächsten Tag bringt uns der Zug zurück nach Münster. Bei einem Halt bahnt sich ein einbeiniger Soldat auf Krücken einen Weg durch die drangvolle Enge des Abteils. Ein Zweiter folgt ihm. Er trägt das Gepäck und hat einen Kopfverband. Gertrud steht sofort auf und ich mit ihr. Dankbar lächelnd nehmen die Soldaten unsere Plätze ein. Wir stehen im Gang. Die Luft ist stickig. Es riecht nach Gemüse, nach Kartoffeln, nach Hamsterware. Schweißgeruch hängt in der Luft. Es ist warm. Die Heizung bullert auf vollen Touren. Gertrud zieht das Fenster herunter. Ihre Haare flattern im kühlen Fahrtwind.
    Von links ruft eine Frauenstimme: »He, wollt ihr, dass wir uns den Tod holen? Fenster zu!« Die Frau hat einen riesigen Rucksack auf ihrem Schoß.
    »Was ist Ihnen denn lieber? Auf der Stelle zu ersticken oder langsam zu erfrieren? Lasst das Fenster auf!«, antwortet eine andere.
    Gertrud sieht mich an. Wir müssen grinsen. Wir schieben das Fenster wieder hoch, lassen es aber unauffällig einen Fingerbreit offen.
     
    Der einbeinige Soldat kratzt sich an seinem Beinstumpf und zündet sich eine Zigarette an. Er klopft die Asche von der feldgrauen Jacke. Unsere Blicke begegnen sich. Er versucht ein Lächeln. Ich werfe einen verstohlenen Blick auf die beiden. Ihre Gesichter sind jung, blass und schmal. Sie schweigen. Der Einbeinige gähnt laut und lange und mit offenem Mund. Etwas an ihm erinnert mich an Werner.
    »Ob sie auf dem Weg nach Hause sind?«, frage ich Gertrud leise. Sie weiß erst gar nicht, wovon ich rede, bis ich mit dem Kopf unauffällig auf die beiden deute.
    »Sicher. Für die ist der Krieg vorbei«, antwortet sie.
    »Weißt du, was komisch ist? Dass ich in den vergangenen Wochen kaum an den Krieg gedacht habe. Es war so friedlich bei Schulze-Dickhoffs. Viel Arbeit, keine Alarme, genug zu essen …«
    Ich sehe, dass Gertrud schluckt und ihren Blick abwendet.
    Draußen vor dem Fenster zieht die Landschaft vorbei. Felder, Wiesen, Wallhecken, Bäume – alles ist bunt, in den Farben des Herbstes. Hin und wieder stehen Kühe hinter Zäunen und schauen uns gemächlich kauend hinterher. Der Zug rattert und poltert über Weichen und legt sich ächzend in langgestreckte Kurven. Er pfeift, wenn er Bahnübergänge überquert. Vor den Schranken wartet manchmal ein Trecker, oft sind die Straßen einfach leer.
    Über allem hängt fahles Sonnenlicht. Kein gutes Wetter. Es könnte Regen geben. Mein Herz rumpelt im Takt des Zuges. Wir fahren durch Mecklenbeck. Der Zug wird langsamer. Rechts liegt das Stadion, und links passieren wir den Güterbahnhof. Gertruds Unterarm ruht auf dem Fenstergriff. Ihr Kopf stützt sich auf den Arm. Ihre Augen sind

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