Vaters böser Schatten
… wie gesagt, ich weiß nicht, warum ich so wütend war.
„Nun, ich denke, Ihnen beiden ist klar, dass es etwas mit dem Vorfall des gestrigen Abends zu tun hatte, nicht wahr?“
Die Jungs seufzten unisono, dann nickten sie.
„Leon, bringen Sie Ryan jetzt nach Hause. Er sollte sich etwas hinlegen und den Kopf schonen. Ist dieser Jamie auch verletzt?“
„Oh, nein. Der bekommt gleich eine Eispackung und dann geht’s.“ Leon stand auf und zog Ryan auf die Füße. „Na los, Snoopy, ab nach Hause.“
Willig ließ sich Ryan aus dem Zimmer ziehen und knickte bei Jamies Anblick beinahe ein. „Fuck …“, murmelte er.
„Ja, das trifft’s ganz gut. Aber, Ryan, ich muss dir sagen … du schlägst zu wie ein Mädchen.“ Jamie sah ihn todernst an, doch als Ryan die Stirn runzelte, zwinkerte er.
„Blöder Sack …“, knurrte Ryan. „Dr. Ramos, das ist mein Cousin Dylan Thompson und sein Freund Jamie …“ Ryan sah ihn verlegen an. „Er hat bestimmt auch einen Nachnamen.“
„Boah, McCoy … du hast mich verprügelt und kennst nicht mal meinen Nachnamen?“ Jamie schüttelte den Kopf. „James Seaward.“
Dr. Ramos lachte und schüttelte beiden jungen Männern die Hände. „Freut mich, Sie kennen zu lernen. Nun, Ryan braucht Eis für die Lippe und James … Sie sehen auch aus, als könnte Ihr Kinn etwas davon vertragen.“
„Uh ja, ich nehm Nougateis.“ Jamie kicherte, grinste den Arzt dann aber frech an.
Wenig später standen sie auf der Straße.
„Jamie, ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir tut.“ Ryan schaute schuldbewusst in die grünblauen Augen.
Der legte den Kopf schief. „Ryan, mach dir keine Gedanken. Du bist zwar seit Ewigkeiten der Erste, der ungestraft zuschlagen durfte, aber ich werd’s verkraften. Ich hab schön härter eingesteckt. Aber eins muss man dir lassen, du hast dich anständig zur Wehr gesetzt.“
„Heeeey! Jetzt lobe ihn nicht auch noch!“, protestierte Leon und schubste Jamie leicht.
Lachend versteckte sich Jamie hinter seinem Freund. „Baby, mach was. Ich will nach Hause. Die sind hier alle böse zu mir.“
„Zu … wie ist die nette Dame aus dem Club?“ Leon überlegte.
„Lucy, Darling“, hauchte Dylan übertrieben geziert. „Die Süße hat schon nach euch gefragt. Wenn ihr das nächste Mal bei uns seid, dürft ihr euch nicht so schnell vom Acker machen. Sonst ist sie ernsthaft beleidigt.“
Ryan lächelte und schlang seine Arme um Leon. „Versprochen. Gib ihr nen Kuss von uns.“
Dylan machte einen Knutschmund und kniff die Augen zusammen.
„Was soll das werden?“
„Ich kann ihr nichts geben, was ich nicht habe, also …“ Er nahm wieder die gleiche Position ein.
„Dylan, ganz ehrlich, das kuscheln gestern Abend war schon ziemlich strange. Einen Kuss gibt’s nicht!“ Ryan trat einen Schritt zurück.
„Okay, das übernehme ich.“ Jamie legte einen Finger unter Ryans Kinn und küsste ihn sanft auf den Mund.
„Äh …“ So ganz wusste Leon nicht, was er davon halten sollte.
„Ich krieg nen Krampf!“, nuschelte Dylan, der sich nicht bewegt hatte.
Schnell drückte Leon ihm einen Kuss auf, zog dann aber Ryan von Jamie weg, knurrte leise ‚Meins!’ und funkelte den anderen an.
D as Bild der Gesellschaft
„Ryan, du hast Post bekommen.“ Eileen war noch nie so aufgeregt gewesen. Sie sprang ihm förmlich entgegen, als ihr Sohn mit Leon aus der Schule kam.
„Danke … Mum, was ist los?“
Leon warf einen Blick auf den Umschlag, und obwohl er beim Anblick des Absenders lächelte, nahm er den bitteren Beigeschmack deutlich war.
„Du hast Post aus Harvard bekommen, Schatz. Das ist … wahnsinnig aufregend. Himmel, mein Junge geht nach Harvard.“ Sie wuselte im Kühlschrank herum und nahm eine Flasche Sekt heraus. „Darauf müssen wir anstoßen.“
Ryan hatte dem Umschlag noch keinen Blick gewürdigt. Er sah nur zu seinem Freund, der ihn stumm anlächelte.
„Leon?“
„Hey, das ist … unglaublich. Das ist eine Wahnsinns-Chance. Die darfst du dir nicht durch die Lappen gehen lassen.“
„Und was wird aus dir, hm?“
Eileen hielt mit dem Korken in der Hand inne. „Jungs, bei allem Verständnis, aber hier geht es um eure Zukunft. Nicht um eure Liebe. Das ist eines des besten Colleges der Welt, und sie wollen Ryan haben. Kind, das wirst du doch nicht ablehnen, oder?“
Unsicher sah Ryan hin und her. Sicher hatte seine Mutter recht. Definitiv sogar, aber Harvard? Ohne Leon? So weit weg? „Ich kann nicht nach Boston
Weitere Kostenlose Bücher