Vaters böser Schatten
und Jamie auch, doch was sie vorfanden, war alles andere als schön.
Vor der Schule auf dem Rasen stand eine Schülerschar im Kreis und feuerte lautstark zwei Kämpfer an.
„Mann, was geht denn hier ab?“, murmelte Dylan, schloss das Rad an und ging mit Jamie näher. Erschrocken keuchte er auf, als er Ryan sah, ineinander verkeilt mit einem anderen Jungen, wild um sich schlagend, während ein dritter munter mitmischte und Ryan immer wieder harte Tritte verpasste.
Jamie fackelte nicht lange. Das Muskelpaket stieß die Schüler auseinander, riss Ben Murphy an dessen Hemd beiseite, so dass der stolperte und zerrte Ryan hoch.
Ryan war so dermaßen in Rage, dass er nichts mitbekam und Jamie einen heftigen Schlag verpasste.
„HEY! KOMM RUNTER, SONST KLATSCH ICH DIR EINE, UND DANN STEHST DU NICHT MEHR AUF!“, brüllte Jamie ihn an und schleifte Ryan aus der Menge hinaus.
„WAS SOLL DER SCHEIß? MIT DENEN WERDE ICH AUCH ALLEIN FERTIG!“
„Ja, das seh ich. Schau dich mal an. Fuck, was soll das?“
Ryan knurrte laut auf: „Halt dich aus meinen Angelegenheiten raus, Jamie! Ich schwörs dir, ich mein das ernst!“ Er tippte ihm unsanft mit dem Finger auf die Brust.
„Ryan? Hey, was ist denn los?“, versuchte Dylan es auf die ruhige Tour.
Ryan warf ihm einen zornigen Blick zu, rannten zu den Fahrrädern, wo er bei seinem die Kombination einstellte, es öffnete und ohne Schloss mit dem Rad davon raste.
„Alter, das hab ich gerade geträumt, oder?“, fragte Jamie perplex. Er legte seinen Handrücken auf seinen Kiefer. „Der hat mir nicht wirklich eine verpasst.“
„Doch, ich fürchte schon. Lass mal sehen.“ Dylan zog dessen Hand hinunter und verzog leicht das Gesicht. „Treffer, würde ich sagen.“
„Heeeey!“ Leon kam strahlend auf sie zu. „Schön, dass ihr da ... Jamie, mit wem hast du dich denn angelegt?“, feixte er.
„Mit deinem Süßen!“
Leon schliefen die Gesichtzüge ein. „Was? Wie-wieso? Wo ist Ryan?“ Er sah sich suchend um.
„Er hat sich sein Rad geschnappt und ist abgezischt, wie eine Rakete. Leon, er hat sich mit zwei Typen geprügelt. Jamie hat ihn rausgezogen und sich dafür eine eingefangen. Wo fährt er jetzt hin?“
Das Gesicht in den Händen vergraben, zuckte Leon die Schultern, dann atmete er tief durch. „Vielleicht zum Bahndamm … um runterzukommen.“
„Will ich wissen, was er am Bahndamm macht?“, fragte Jamie verwirrt.
„Warten bis ein Zug kommt, auf ihn zugehen und drei Sekunden vorher beiseite gehen“, erklärte Leon. Er lief zu seinem Fahrrad, schloss es ab, sammelte auch Ryans Schloss auf und legte das Rad auf die Ladefläche seines Autos.
„Was Wo ist da der Sinn, außer, dass es bescheuert ist?“
„Hm …“ Leon lehnte sich gegen das Auto und verschränkte die Arme vor der Brust. „Vor ein paar Monaten hat meine Mum mir gesagt, dass ich schwul bin. Ich wollte es nicht wahr haben. Ich bin abgehauen, hab mit einer Kellnerin rumgeknutscht und bin dann zum Bahndamm gefahren. Mein Kopf war so elendig voll, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Also bin ich das Gleisbett entlang gelaufen. Immer weiter …“, erzählte er ruhig, ohne die beiden anzusehen, „ich hab den Zug gehört und trotzdem bin ich immer weiter gelaufen. Du hörst auf, nachzudenken, du siehst stur geradeaus, setzt einen Fuß vor den anderen, siehst diesen riesigen Zug herankommen und weißt, dass er dich zerquetscht, wie eine Fliege, wenn du nicht aufpasst. Irgendwie ist dein Körper zum zerreißen gespannt. Ein … seltsames Gefühl … aber auch befreiend. In dem Moment, wo du beiseite trittst, den Fahrtwind spürst, spürst, wie er an dir zerrt, dich fast umreißt, hast du es geschafft. Dein Kopf ist komplett leer, und das Adrenalin pumpt sich wie purer Alkohol durch deinen Körper.“ Er verstummte kurz, dann sagte er leise: „Ryan hat das früher regelmäßig gemacht, um seine Wut loszuwerden. Seit er die Therapie macht, hat’s wieder angefangen, bis er mich zu seinem Ventil gemacht hat. Ich… ich weiß nicht, wie ich ihn davon abbringen soll …“
Schweigend hatten die beiden Jungs zugehört.
„Das ist doch Irrsinn. Leon, das ist viel zu gefährlich.“ Dylan wurde weiß. „Lass uns bitte hinfahren. Nachsehen.“
Und das taten sie auch, doch Ryan fanden sie nicht.
Der war geradewegs nach Louise River gefahren und hatte die Praxis von Dr. Ramons gestürmt.
„Hallo“, keuchte er, „hat er Zeit?“
Die Sprechstundenhilfe sah Ryan erschrocken
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