Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)
gehabt haben.« Arconoskij hielt inne, er genoss das erstaunte Gesicht des alten Paters.
»Ja, aber Sie meinen doch nicht wirklich …«
»Lassen Sie mich aussprechen. Natürlich gebe ich Ihnen recht damit, dass es nicht möglich ist, dass ein Mädchen spricht und sich bewegt und tot sein soll. Aber – und jetzt kommt das große Aber.« Arconoskij machte eine dramatische Pause. »Aber wenn es nicht wahr wäre, wie könnte dieses Mädchen den Vatikan durch die Jahrhunderte hindurch warnen?«
»Sie glauben doch nicht etwa diesen Quatsch?« Comitti ließ sich ächzend in den Sessel fallen und tippte anklagend auf den Blätterstapel.
»Ich behaupte, dass es mehr zwischen Himmel und Erden gibt, als es bekannt ist. Und Sie Comitti, wissen von solchen Dingen.« Arconoskij sah Comitti fest in die Augen. Comitti errötete und senkte den Blick. Er hatte Abhandlungen über das Leben nach dem Tod, über Wiedergänger und Vampire verschlungen. Er hatte sich Gedanken darüber gemacht, ob so etwas möglich wäre. Doch er war immer zu dem Schluss gelangt, dass diese Schriften zwar geschickt geschrieben, doch auf Aberglaube und alte Mythen zurückzuführen wären. Er hatte sich oft geschämt, dass er sich überhaupt mit solchen Themen befasste.
»Hm. Ich denke, dass es sich um einen Schwindel handelt. Jemand will mich aufs Glatteis führen.«
»Denken Sie wirklich, jemand hätte sich die Mühe gemacht, so viel Text zu schreiben, um Sie vorzuführen?«
Comitti dachte nach. Was der Sicherheitschef sagte, ergab Sinn. »Was sollen wir tun?«, fragte er sein Gegenüber, der an seinem Glas nippte. Comitti fiel dabei ein Ring an Arconoskijs Zeigefinger auf, den er zuvor nicht wahrgenommen hatte. Ein schönes Stück. Arconoskij bemerkte den Blick. »Altes Familienerbstück.« Er schenkte beiden nach und strich sich über seinen Oberlippenbart. »Ich würde vorschlagen, wir lesen weiter. Die Geschichte beginnt, spannend zu werden.«
*
»Du bist bereits tot.« Die Worte klangen so ungeheuerlich, dass ich Schwester Theresa mit offenem Mund anstarrte.
»Ich glaube«, Schwester Theresa drehte sich wieder zu mir um, »du hast etwas in deiner Erzählung vergessen. Etwas Entscheidendes. Vielleicht hast du es vergessen oder nicht für wichtig befunden, vielleicht ist es dir auch peinlich. Aber was auch immer der Grund ist, du musst es mir sagen, erst dann kann ich mir ein Bild machen.«
Ich wusste es sofort und erzählte ihr von meinem merkwürdigen Traum, von meiner Benommenheit am Morgen. Lisettes Vermutung verschwieg ich. Vielleicht wäre ich darauf zurückgekommen, hätte sie mich nicht, erregt durch das, was sie vernommen hatte, unterbrochen. So trat sie auf mich zu, schob mein Haar zur Seite und fuhr mit ihren kühlen Fingerspitzen über meinen Hals. »Kaum erkennbar, aber eindeutig.«
Das Kreuz, das sie an einer Kette um den Hals trug, streifte für einen Moment meine Schulter. Ich zuckte zurück, als hätte es mich verbrannt.
»Was ist?« Schwester Theresa legte mir ihre Hand auf die Stirn.
»Das Kreuz«, stöhnte ich und schloss die Augen. Als ich sie wieder öffnete, war es verschwunden.
»Es passt alles zusammen.« Schwester Theresa hatte sich an mein Bett gesetzt und sah sehr ernst aus. »Alles, was ich letzte Nacht gelesen habe, stimmt mit dem überein, was du mir erzählt hast. Auch die Reaktion auf das Kreuz. Du bist von einem Vampyr infiziert worden und bist nun selbst einer.«
Ich lachte. Unsere Köchin hatte uns mit solchen Geschichten Bange machen wollen, wenn wir nicht brav gewesen waren. Es war absurd.
»Ob du mir glaubst oder nicht, wir werden der Tatsache ins Auge sehen müssen.« Schwester Theresa schwieg und senkte den Blick.
Ich versuchte, zu widersprechen, aber mir fiel kein Argument ein. Ich dachte über alles nach und wurde unsicher. Meine Erheiterung verwandelte sich in Angst.
»Lucienne.« Schwester Theresa schreckte mich aus meinen Gedanken. »Ich habe mir deine Geschichte angehört und bin zu einem Entschluss gekommen. Wenn Gott zugelassen hat, dass es solche Kreaturen gibt, wird er seinen Grund haben. Ich habe noch nicht begriffen, warum er ein unschuldiges Mädchen mit einem Fluch straft, aber vielleicht werden wir es eines Tages verstehen. Ich habe mich entschieden, dir zu helfen und dich in deiner Andersartigkeit zu schützen. Solange du niemanden etwas zuleide tust.«
Ich wollte widersprechen, doch Schwester Theresa gab mir ein resolutes Zeichen zu schweigen.
»Solltest du einer
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