Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)
Verschließt die Tür. Er darf es nicht erfahren.«
Ich ließ mich von Argyle in den Salon führen. Miguel sprang auf und kam mir mit ausgebreiteten Armen entgegen.
»Schrecklich, diese Notwendigkeit der Vampyre, immer für ganze Tage zu verschwinden. Ich habe Euch vermisst, Mutter.«
Ich lächelte und ließ mich von ihm umarmen. Argyle wurde mit einer knappen Bewegung entlassen. Dann waren wir allein.
»So und nun bitte ich Euch, mir in die Augen zu sehen«,
Miguel stellte mir einen Sessel in die richtige Position.
»Vampyre besitzen eine nette Art, sich zu unterhalten, wenn sie ungestört sein wollen. Habt Ihr davon gewusst?«
Ich stellte mich unwissend. Das war ich bis vor zwei Nächten auch gewesen.
»Ach, ich vergaß. Man ließ Euch unwissend. Ihr Ärmste, musstet im Kloster darben und heilig spielen.« Miguel lachte. »Aber die Zeit der Heuchelei ist vorbei, Mutter. Ich freue mich für Euch. Wie schwer muss sie Euch gefallen sein, diese ständige Verstellung zwischen den Betschwestern.«
Er schlug ein Bein über das andere und sah mir in die Augen. Ich hörte seine Stimme in meinen Gedanken und tat so, als ob ich erschräke.
Er redete beruhigend auf mich ein und erklärte mir die Art der Unterhaltung. Ich verstand schnell, was ihm Freude machte. »Ich wusste, dass Ihr gelehrig seid. Diese Intelligenz habe ich von Euch geerbt.«
Ich musste wirklich lächeln. Bisher hatte ich niemanden kennengelernt, der nur aus einem Grund Komplimente machte: damit sie auf ihn zurückfielen.
»Ich möchte Euch in ein Geheimnis einweihen. Jeder meiner Vertrauten kennt nur einen kleinen Teil von dem, was ich Euch jetzt erzähle.«
Ich sah ihm in die Augen, die kalt und gefühllos auf mir lagen. Argyle hatte recht. Ich konnte mich in ihnen spiegeln.
Er legte mir seinen Plan dar. Der Herr möge mir meine Unaufrichtigkeit verzeihen, denn ich spielte mit. Ich nickte, während er mit mir sprach. Ich lächelte, wenn er lächelte. Als er verstummte und darauf wartete, was ich von seinem Plan hielt, saß ich zunächst nur da und war nicht in der Lage, ihm zu antworten.
Er wollte die Weltherrschaft an sich reißen! Er wollte das Gleichgewicht der Natur zerstören. Und das Schlimmste war: Er war der festen Überzeugung, dass er im Recht sei. Die Welt sollte ihm danken. Er wollte alle Menschen versklaven und nur einen ausgesuchten, geringen Teil als Vampyre herrschen lassen.
»Und das Schönste ist, Mutter«, sagte er triumphierend, »Ihr werdet an meiner Seite sitzen und mit mir regieren. Ihr in der Nacht und ich am Tag. Wem sollte ich sonst vertrauen, wenn nicht meinem eigenen Fleisch und Blut?«
Ich war fassungslos. Er wollte mit mir zusammen die Welt regieren und alle Menschen ins Unglück stürzen? Er sah mein Zögern, denn er sprach eifrig auf mich ein. Er, der am Tag wie in der Nacht leben könnte, wäre die Garantie dafür, dass niemand versuchen würde, aufzubegehren. Er würde der mächtigste Vampyr, den die Welt je gesehen hatte. Ich starrte ihm in die Augen. Welches Problem hatte er, dass er seinen Plan nicht schon längst in die Tat umgesetzt hatte?
Er las meine Frage und lächelte. »Ich habe die Vampyre studiert. Außer, dass ich kein Blut benötige und darum unter den Menschen nicht auffalle, habe ich alle Fähigkeiten eines Vampyrs. In mir wohnen die Kräfte eines Vampyrs und ich kann mich auch am Tag bewegen. Ich kann in den Gedanken von jedem lesen und Tieren Befehle geben. In diesem Punkt unterscheide ich mich nicht von Euch, Mutter. Ein einziges, kleines Problem habe ich, und deswegen muss ich endgültig zum Vampyr werden.«
Ich sah ihn fragend an.
»Ich altere. Zunächst ist es mir nicht aufgefallen. Ich wuchs heran wie jedes Kind. Als ich zum Manne wurde, hörte mein Alterungsprozess auf, wie du siehst. Allerdings fing er wieder an. Ich altere nicht so schnell wie ein Mensch, aber ich altere. Ich brauche die Infizierung eines Vampyrs, der mich unsterblich macht.«
»Wofür braucht Ihr mich? Es gibt genug Vampyre, die Euch diesen Wunsch erfüllen könnten.«
Miguel lachte. Er lachte sein hohes, glockenhelles Lachen. Das eines jungen Mannes. Es war erschreckend. Besonders erschreckend, weil mich das Lachen an seinen Vater erinnerte.
Mich würgte ein Schluchzen. Ich war froh, dass Salvador das nicht miterleben musste. Diesen Albtraum.
»Aber Mutter, warum weinst du? Es gibt einen Ausweg.« Er sah mich prüfend an und ich merkte, dass er in meinen Gedanken suchte. Ich wiederholte den
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