Vegas Vampires 04 - Was sich liebt, das beißt sich
egoistischer Wunsch nach Zerstreuung rechtfertigte nicht, dass sie Schwierigkeiten mit einem Freund bekam. Auch wenn er zugeben musste, dass er nur zu gerne erfahren würde, was sie überhaupt in dem Krankenhaus gewollt hatte.
»Nein. Mein Bruder und ich haben eine Freundin besucht, doch er ist mit seiner Frau hier. Er meint nur, er müsste auf mich aufpassen.«
Nicht genug, wenn man sich ihre nächtlichen Aktivitäten vor Augen hielt. »Das ist gut – und auch nicht so gut, nehme ich an. Es ist nett, dass er sich so um Sie sorgt, aber wahrscheinlich geht es Ihnen auch auf die Nerven. Allerdings hätte er wohl recht, wenn er etwas dagegen hätte, dass Sie sich mit einem völlig Fremden treffen. In einem Coffee-Shop zum Beispiel oder auf einem dunklen Bahnsteig.«
Sie zog wieder diese Grimasse, diese lächerliche Schnute, mit der sie ihr Missfallen ausdrückte. »Da haben Sie schon recht«, sagte sie lächelnd. »Aber ich würde trotzdem gerne einen Kaffee trinken. Wollen wir also?«
Nate hatte ursprünglich gedacht, sie spreche mit britischem Akzent, doch ihre Art, die Vokale auszusprechen, ließ ihn daran zweifeln. Sie hatte etwas an sich, was Nate nicht so recht benennen konnte … als würden die Puzzlestücke, aus denen sie bestand, nicht ganz zusammenpassen. Sein Sinn für Logik, der detektivische Teil seiner Persönlichkeit, wollte herausfinden, wer genau sie war – wollte über seine anfängliche Einschätzung ihrer Person als dumme Blondine hinaus.
»Einverstanden.« Er deutete quer durch die Lobby, und sie gingen nebeneinander her. »Dann ist Ihre Freundin also krank?«
»Nein. Unsere Freundin, also, eigentlich ist sie die Schwester der Frau meines Bruders, also seine Schwägerin, aber definitiv meine Freundin …« Sie hielt inne und wurde rot. »Oh Gott, was stottere ich mir da zusammen. Also, eigentlich will ich nur sagen, dass Brittany ein Baby bekommen hat und wir sie besucht haben. Es gab einige gesundheitliche Bedenken, weshalb wir heilfroh sind, dass alles in Ordnung ist. Sie hat ein Mädchen bekommen.«
Nate spürte, wie sich aus irgendeinem Grund ein Lächeln um seine Mundwinkel legte. »Das ist wundervoll.« Und erstaunlich, dass er es tatsächlich ernst meinte. Es lag etwas Tröstliches in dem Wissen, dass ein Baby zur Welt gekommen war, während seine Schwester sie verlassen hatte. Kyra hätte sich darüber gefreut.
»Ich bin mir jedoch merkwürdig vorgekommen … wegen dem, was ich vorher gesehen hatte … ich kam mir irgendwie … schmutzig vor. Als sollte ich das süße, kleine Ding nicht berühren. Oh Gott, das ergibt überhaupt keinen Sinn, oder? Nehmen Sie mich einfach nicht ernst.« Sie rieb sich die Lippen und musterte ein Gemälde an der Wand, während sie daran vorübergingen.
»Das verstehe ich. Ich habe viel mit dem Tod zu tun. Und manchmal ist es schwierig, wieder zurückzufinden.« Gott wusste, dass es ihm jetzt gerade extrem schwerfiel, wieder zurückzukriechen.
»Warum sind Sie hier?« Vor dem Coffee-Shop blieb sie stehen und musterte ihn. Nate wand sich unter ihrem forschenden Blick. Er wusste, wie er aussah, denn er fühlte sich auch so – total scheiße. Er fühlte sich nackt, während ihre blauen Augen ihn erforschten und Mitleid in ihre Miene trat. »Es ist kein guter Grund, nicht wahr?«
»Nein.« Nate holte tief Luft und zwang sich, es zu sagen. »Meine Schwester ist gerade gestorben. Sie hatte Krebs.« Seine Stimme brach, doch er hielt sich aufrecht, unterdrückte die Tränen und das Gefühl, dass er darin untergehen und ertrinken würde, wenn er dieser Flut der Trauer nachgab.
Gwenna riss die Augen auf. »Oh. Das tut mir so leid.« Sie ergriff seine Hand und hielt sie fest. »Das sind leere Worte, und sie vermögen nichts zu ändern, aber mir ist es ernst damit.«
Ihre Berührung war tröstlich, fest, obwohl ihre Finger so klein und zart waren. Sie stand dicht vor ihm, strich mit ihren verschränkten Händen über seinen Oberschenkel und schaute mit ihren blassblauen Augen mitfühlend zu ihm auf. »Danke.« Er sollte noch etwas sagen, aber er konnte es nicht.
Sie drückte seine Hand. »Vielleicht sollten wir den Kaffee verschieben … vielleicht sollten Sie lieber nach Hause fahren.«
»Nein. Das will ich nicht. Ich kann es nicht. Verstehen Sie?« Nate strich mit dem Daumen über ihren Handrücken. Ihre Haut war glatt und sehr kühl. Sie hatte etwas Beruhigendes an sich, etwas Tröstliches in ihrer offensichtlichen Weiblichkeit und Zierlichkeit. »Haben
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