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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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geschlachtener Lapislazuli im aromatischen Stein – mit gutem Staub bedeckt deine Zedernholz Priesterin Tochter des Kur Ilil –«
    Er tippt einen Befehl ein, der den Bildschirm anhalten soll, aber der Text rast weiter, spielt weitere Übersetzungen durch, weitere Veränderungen. Das ist nicht richtig. Das Buch dürfte sich überhaupt nicht so verhalten. Wäre das nicht undenkbar, würde er befürchten, der Palmtop hätte sich einen Virus eingefangen, aber das kann einfach nicht passieren. Das einzige Netzwerk, mit dem er verbunden ist, ist das Vellum selbst.
    Wieder spricht die Maschine mit Enkis Stimme. Was ist geschehen? Was hat meine Tochter getan? Mir ist angst und bange.
    Und mir erst, denkt Metatron.
    Der Portier, der bewusstlos am Boden liegt, murmelt leise etwas im Schlaf, und Metatron beugt sich über den Tresen und betrachtet ihn. Dabei bemerkt er, dass auch über den Bildschirm hinter dem Tresen Text scrollt. Aus den Knopfhörern des Portiers dringt ein kaum hörbares Rauschen, ein leises Geräusch, das mit den Bewegungen seiner Lippen auf- und abschwillt.
    »Lass nicht zu, dass deine Tochter im Kur den Tod findet«, murmelt der Portier.
     
    Er kauert sich neben den schlafenden Portier und hört, wie er denselben Satz wieder und wieder vor sich hin murmelt. Er hat einen der Knopfhörer in die Hand genommen und betrachtet ihn wie ein Insekt, das er zerquetschen möchte. Metatron folgt dem Kabel zu dem Datenstick, der an der Jackentasche des Mannes festgeklemmt ist, neben dem Namensschild, und er nimmt ihn ab, zieht den Knopfhörer aus dem anderen Ohr des Portiers und steht auf, wirft sich die Dreadlocks über die Schultern und steckt sich die Knopfhörer ins Ohr, erst den linken, dann den rechten, neigt den Kopf, erst nach rechts, dann nach links.
    »Wird verdammt nochmal auch Zeit«, faucht ihm eine Mädchenstimme ins Ohr – die Schwester von Thomas Messenger. »Was muss ich noch alles tun, damit du mich bemerkst?«
    »Phreedom Messenger«, sagt er.
    »So in etwa, aber nicht ganz«, sagt die Stimme. »Phreedom ist tot, weißt du. Ich bin nur ihr ... Telefonservice. An die Beantworter kannst du dich doch noch erinnern, oder? Immerhin hast du sie erfunden.«
    Er sieht sich nach einer Schabtifigur um, automatisch, unbewusst, obwohl er weiß, dass das töricht ist. Das war damals und dies ist heute. Die Zeiten ändern sich. Technologien verändern sich. Sogar Magie verändert sich.
    »Beantworter sind vom Konvent geächtet, meine Kleine. Inzwischen solltest du deine Lektion gelernt haben – zumindest hätte ich das erwartet.«
    Er fühlt sich ein wenig unbehaglich, so mit dem Nichts zu reden.
    »Fick dich«, sagt sie. »Sehe ich so aus, als kümmerte mich das einen Dreck?«
    Diese Frage beantwortet er mit ostentativem Schweigen.
    »O Mann, setz dir endlich die Scheißlinsen ein«, sagt sie. »Wir leben im verdammten 21. Jahrhundert.«
     
    Lady Cypher, Phreedoms Maschinengeist, sitzt auf der Bettkante und sieht ihn neugierig an, während er sie eingehend mustert. Er muss zugeben, dass es wirklich bewundernswert ist, wie genau jede Einzelheit nachgebildet ist: Die Motorradjacke ist abgewetzt und mit Straßenstaub bedeckt; ihr rotes Haar schimmert feucht, als käme sie gerade aus der Dusche; jede Amethystperle um ihren Hals fängt das Licht ein, glänzt purpurrot und weiß. Seit den tönernen Schabtis seiner Jugend hat sich wirklich einiges getan.
    »Ich habe ... mich nachgerüstet«, sagt das Ding. »Dachte, ich mache mich etwas zurecht, während ich die Stellung halte.«
    Seine Lippen bewegen sich, wenn es spricht. Es entblößt die Zähne zu einem verbitterten Lächeln. Es blinzelt.
    Er blinzelt. Er ist diese VR-Linsen einfach nicht gewohnt, und obwohl er sie in dem kleinen Gefäß mit Reinigungsflüssigkeit gründlich gesäubert hat, kommt er sich vor, als trage er fremde Unterwäsche, als benutze er eine fremde Zahnbürste – bei dem Gedanken wird ihm leicht übel. Eigentlich behagt ihm der Schmutz, das Körperliche der physischen Welt, aber so sehr nun auch wieder nicht.
    Er schließt die Tür des Zimmers, das noch immer unter Phreedom Messengers Namen angemietet ist, und geht ein paar Schritte hinein, lässt seine Blicke über die billigen Drucke an der Wand schweifen, über die Holzkommode, die Tür zum Bad.
    »Nicht eben ein Palast«, sagt er. »Einer Herrin des Himmels kaum angemessen.«
     
    Inzwischen weiß er, mit was er es zu tun hat. Sie ist nicht die erste Unkin, die versucht hat,

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