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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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Galaturra spritzte die Wasser des Lebens über sie.
     
     
    Inannas Auferstehung
     
    Der blonde Engel – Jack – springt wie ein Silberlöwe, wie der Blitz, ein Arm saust durch die Luft, doch keine Krallen sind es, die zuschlagen, sondern tiefrote, fast schwarze Tinte spritzt Eresch wie auf einem Jackson-Pollock-Gemälde ins bloße Gesicht, in die Augen, in den Mund. Sie taumelt nach hinten, als sei sie mit Säure übergossen worden, geblendet, schreiend, die Hände vors Gesicht geschlagen.
    Sämtliche Flaschen im Salon zerspringen. Die Glasperlen des Vorhangs zerplatzen, prasseln auf den Boden des Vorraums. Die Glastür des Salons explodiert zur Straße hinaus. Das Gefäß in der Hand des dunklen Engels birst in Stücke, aber er schlägt Anna bereits mit der flachen Hand ins Gesicht, bespritzt ihre Wangen mit der modernen Medizin seines Herrn – dunkle Tinte und Blut, ihr Blut und das des Engels vermischen sich, wo das Glas ihr in die weiche Haut schneidet, von seiner offenen Handfläche auf ihre Wange gedrückt. Und der Schmerz brennt ihr im Gesicht, auf den Wangenknochen, an den Schläfen, eine sengende Migräne droht ihr den Schädel zu spalten, bohrt sich ihr in den Kopf. Ihre ganze linke Körperhälfte wird gefühllos, und wie das Opfer eines Schlaganfalls verliert sie das Gleichgewicht und stürzt. Die Schmerzen drohen sie zu zerreißen. Und sie fühlt sich wieder lebendig.
     
    Noch während der blonde Engel Eresch die Hand auf den Mund presst, sie mit dem anderen Arm würgt, sie mit Wucht gegen die Wand knallt und sie mit seinem ganzen Gewicht daran zu hindern sucht, einen weiteren Ton auszustoßen, klingt das wortlose Heulen der Herrin der Toten Anna noch immer in den Ohren, es hallt im ganzen Raum wider, lässt das Glas in den gerahmten Drucken mit Drachenmustern und keltischer Flechtarbeit zerspringen, all die traditionellen und Stammestätowierungen, die die Wände schmücken.
    Glasstaub regnet auf Anna nieder, die noch immer auf dem Boden liegt.
    »Steh auf«, sagt der Dunkelhaarige zu ihr.
    Der andere schreit in der Sprache der Unkin und versucht, Ereschs ersticktes Heulen zu übertönen, sie mit Worten zu binden, wie er sie mit den Händen bindet. Eresch stößt sich von der Wand ab, der Engel prallt zurück, muss sich umdrehen, Eresch presst ihn gegen den Türrahmen, und Anna kann sehen, wie sich sein Handrücken wölbt; sie hört Knochen brechen. Obwohl die Bitläuse die verfluchte Herrin der Unterwelt blenden – und sie müssen in ihrem Gehirn brennen wie in Annas, in Inannas, in Phreedoms –, obwohl das Chaos, das sie umgibt, ihr die Sinne raubt, durchbohren die animalischen Töne, die Eresch ausstößt, die Hand des Engels wie ein Nagel, reißen sie auf, zersplittern sie.
    »Steh auf.«
     
    Schwarze Tinte läuft aus den geborstenen Flaschen auf den Regalen und auf dem Tresen, läuft in Rinnsalen Vitrinentüren und Wände hinunter wie Regen über Fensterscheiben, tröpfelt hierhin und dorthin, hinterlässt schwarze Spuren, kreuz und quer als seien sie trunken, hinterlässt Zeichen, die sie wiedererkennt. Tröpfchen laufen aufwärts, trotzen den Naturgesetzen, um ihren eigenen inneren Gesetzen zu folgen. Tropfen platschen auf den Boden und verdampfen zischend, Rauchwolken kräuseln sich deckenwärts, ringeln sich um die Beine des Engels, greifen und tasten.
    »Steh auf.«
    Tropfen hasten ihr wie Insekten über die Hände, als sie sich vom Boden hochstemmt. Der Schmerz hat sich inzwischen zur Stirn hin verlagert, wo er heiß und weiß brennt. Die Welt vor ihren Augen flackert, einmal sieht sie ihre Umgebung, wie sie ist, dann wieder ein fotografisches Negativ, auf dem schwarz weiß und weiß schwarz ist. Die schwarzen Anzüge der Engel leuchten – Ritter in glänzender Rüstung, die ihr zu Hilfe geeilt sind. Das Tageslicht vor der Tür ist nachtschwarz, ein pechschwarzer Abgrund. Sie stemmt sich hoch auf die Knie.
    »Steh auf.«
     
    Das Tosen von Ereschs Zorn hüllt sie inzwischen ganz ein, hallt von den Wänden wider, vom Boden und von der Decke; der Salon ist erfüllt von ihm und erfüllt von schwarzer Tinte, die kriecht und krakelt, magisch und anarchisch, wohin Inanna auch blickt. Er droht sie zu verschlingen, dieser Raum, der von fließender Sprache erfüllt ist, doch trotz des Chaos, das sie umgibt – der dunkle Engel, der wie ein Ausbilder beim Militär vor ihr kniet und sie anbrüllt, sie solle aufstehen; der andere ringt noch immer mit Eresch, sie schleudern einander gegen

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