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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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einen Tag länger. Erst als die vierte Kompanie vor den Splittern der eigenen Luftabwehrgranaten Reißaus nahm — und natürlich hatte sie vorher niemand gewarnt —, fielen die Faschisten ihnen in den Rücken, und sogar dann hätten sie vielleicht standgehalten, wären da nicht diese Wichser gewesen, die in der Todeszone vor ihnen, die Hände zur Faust erhoben, ›Genossen, Genossen‹ riefen und die Internationale sangen, während sie auf sie zukamen.
    »Schießt weiter«, hatte Seamus gebrüllt. Seine Stimme war von all dem Rauch und Geschrei ganz heiser. »Schießt, verdammte Scheiße. Schießt!«
    Und manche hörten auf ihn, aber manche stellten in dem Chaos und Durcheinander das Feuer ein, und dann war es zu spät, die Faschisten hatten sie erreicht und überrannten sie, und plötzlich war der Teufel los. Am Ende waren von einhundertundzwanzig noch neunundzwanzig übrig, ein dicht zusammengedrängter Haufen, und Harry Fry, der befehlshabende Offizier der Kompanie, war verletzt — ein Dumdumgeschoss im Arm. Und natürlich kümmerten sich die Faschisten einen Scheißdreck um die Genfer Konventionen. Seamus musste zuschauen, wie der stellvertretende Befehlshaber Ted Dickinson, ein Australier, unter einen Baum geführt wurde, nachdem sie seine Papiere gefunden hatten. Sie fragten ihn, ob er für die Faschisten kämpfen oder sterben wolle.
    »Haltet durch, Genossen«, rief er, und dann krachten die Schüsse.
    Jetzt marschieren sie nach Navalcarnero, dreißig Kilometer südwestlich von Madrid. Die maurische Kavallerie in ihren Fezen und langen Roben treibt sie mit Säbelhieben auf Kopf und Schulter vorwärts, und ihre Daumen sind mit Draht aneinandergefesselt. Ein Mann wollte in seine Hosentasche nach einer Zigarette greifen und wurde auf der Stelle erschossen. Phil Elias war sein Name.
    Als sie schließlich ankommen, werden sie in Zellen gestoßen, jeweils neun Mann in drei kleine leere Räume.
    Der verhörende Offizier hat einen Oxforder Akzent.
    »Donnerwetter«, sagt er, »da seid ihr aber in einen ganz schönen Schlamassel geraten, was?«
     
    »O Ränkeschmied, der du verbitterter bist als die Verbitterung selbst – der du den vergänglichen Sterblichen, die nur einen Tag leben, eine solche Ehre angetan hast, o Dieb des Feuers.«
    Metatron tritt in den Kreis, während er diese Worte psalmodiert. Es ist ein Ritual, eine Beschwörung, und Finnan spürt, wie sich etwas in seinem Innersten regt, sich anspannt.
    »Der Konvent verlangt, dass du uns die Verbindung verrätst, von der du prahlst, dass sie uns ›von unserem Thron stoßen‹ wird.«
    Er hebt die Hand, als wolle er die Luft streicheln, und schwarzer Rauch quillt aus dem Nichts hervor, Dunstschwaden steigen auf, recken sich seinen Fingern entgegen, bilden kreisend einen Schleier. Eine kleine Demonstration seiner Macht.
    »Sprich klar und deutlich«, sagt er, »und nicht in Rätseln. Verschweige nichts. Und, Prometheus – du willst ganz sicher nicht, dass ich mich ein weiteres Mal auf den Weg mache, oder du wirst lernen, dass es mir kein Vergnügen be-«
    »Wie arrogant und aufgeblasen du bist«, faucht Finnan, »wenn du Cant sprichst. Und wie angemessen das für einen Abgesandten der Götter doch ist. Noch bist du nicht lange an der Macht, und schon glaubst du, sie sicher in Händen zu halten, was?«
    Der Engel zuckt zusammen. Finnan mustert ihn eingehend, betrachtet sein vorstehendes Kinn, seine gerunzelten Augenbrauen. Seine Schultern sind steif, so schwer lastet der Krieg auf ihnen. Er wirkt müde, sorgenvoll. Die Dinge stehen nicht gut. An den zitternden Fingerspitzen des Engels erkennt Finnan, wie angespannt er ist – er zappelt herum wie jemand, der verzweifelt versucht, nicht die Beherrschung zu verlieren. Wer einmal einen Veteranen mit Kriegsneurose gesehen hat, wer einmal gesehen hat, was für Streiche der Verstand dem Körper spielen kann, der weiß, dass manche Bewegungen eines Mannes, die jemand anderes vielleicht nicht einmal wahrnimmt, äußerst verräterisch sein können. Ärger mit den Mannschaften? Doch das reicht tiefer, denkt er. Ärger an der Spitze?
    »Nun«, fährt er fort, »ich sag dir eins, Kumpel. Ich habe schon einmal mit angesehen, wie zwei Mächte dieses Kalibers gestürzt wurden, und bald werde ich erleben, wie dein jetziger Herr Hals über Kopf der Schande anheimfällt.«
    Bei dem Wort ›Herr‹ blinzelt Metatron, und da ist Finnan sich seiner Sache sicher – als würde er auf einen Echolotschirm blicken und den

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