Velvet Haven Paradies der Dunkelheit
im Flüsterton an sein Ohr drang.
Dann löste sich die Vision auf und wurde von den sich kräuselnden Dunstschwaden verschlungen. Er stolperte, da ihn bei diesem Anblick der Ekel gepackt hatte. Wer diese Frau wohl war?, fragte er sich. Langsam beruhigte sich sein Atem wieder, und er versuchte, sich das Bild ins Gedächtnis einzuprägen, um Cailleach später davon berichten zu können, doch konnte er keinen klaren Gedanken mehr fassen, als sich seine linke Pupille plötzlich öffnete und das Reich der Sterblichen vor seinem Auge verschwamm. Er erkannte Mairi. Sie schlief. Und da war ein Schatten am FuÃende ihres Bettes.
Ganz plötzlich durchbrach der Schrei einer Frau die nächtliche Stille und lieà das Bild vor seinem inneren Auge verschwinden. Ehe er darüber nachdenken konnte, was er da tat, rannte Bran in die kleine SeitenstraÃe, wo er eine reglose weibliche Gestalt auf dem Boden liegend fand. Er beugte sich zu ihr hinab und fühlte den gleichmäÃigen Puls an ihrem Hals. Sie war ohnmächtig geworden. Doch weshalb? Er sah auf, blickte um sich und versuchte die Dunkelheit zu durchdringen, die sich seinem Blick jedoch nur noch weiter zu verschlieÃen schien.
Die Luft in der Gasse war zum Schneiden dick und stank nach verwesendem Müll, nach Ratten und auch nach dem metallischen Geruch von Blut.
Ganz leise erhob er sich, trat einen Schritt nach vorn, tiefer in die dunkle Gasse hinein. Er hielt inne und fluchte, als er mit Suriel regelrecht zusammenprallte, der mit ausgebreiteten schwarzen Flügeln dastand. Sein langer schwarzer Ledermantel schleifte über den Boden.
»Was zum Teufel ⦠?«, rief Bran angewidert.
»Raven«, sagte Suriel leise, ohne sich auch nur nach ihm umzudrehen. »Ich sehe, du hast dich selbst wieder aufgerappelt und bist von der StraÃe hochgekommen. Wie geht es deinem Flügel?«
Bran schenkte seinen Worten keinerlei Beachtung und trat näher. Suriel erhob die Hände und erleuchtete die Umgebung mit seinem himmlischen Licht. Nun konnte Bran ganz deutlich die beiden Körper sehen, die an die Mauer genagelt waren, eine ironische Nachahmung der biblischen Kreuzigungsszene. Einer der beiden Leichname war ein Engel â genauer gesagt ein Schutzengel â, sein Körper hing schlaff herab, die Flügel waren weit ausgebreitet und in den sandigen Ritzen zwischen den Backsteinen festgemacht â festgenagelt. In den Armen des Engels lag eine Sterbliche, die vollkommen nackt war. An einem Fuà trug sie immer noch einen schwarzen, hochhackigen Schuh, der andere war abgefallen und lag nun inmitten eines Haufens aus alten Zeitungen und einer grausigen Pfütze von ihrem eigenen Blut. Ihr Körper war durch dieselben Symbole entweiht worden, die den Körper der jungen Sidhe-Frau verunstaltet hatten. Um den Hals bemerkte Bran eine silberne Schnur, die in Suriels Licht glänzte.
»Was zur Hölle geht hier vor?«
»Ich weià es nicht«, flüsterte Suriel. »Doch ist dies hier noch viel dämonischer als alles, was ich bisher gesehen habe.«
»Hast du das getan?« Hast du den Leib einer meiner Artgenossinnen entehrt?
Der Blick, den Suriel ihm nun zuwarf, war mörderisch. »Ich bin ein gefallener Engel, kein verdammter Psychopath.«
Bran hatte Suriel niemals auch nur ein Wort von dem, was er sagte, geglaubt, doch nun tat er das. Die Verzweiflung und der Schmerz, den er in seinen dunklen Augen sah, reichten aus, um ihn zu überzeugen.
Noch einmal warf er einen Blick auf die Tote, und er hatte keine Ahnung, weshalb er nun bereit war, sich Suriel anzuvertrauen, doch er wusste â er fühlte es â, dass er keine andere Wahl hatte. »Ich hatte eine Vision, nur wenige Sekunden, bevor ich auf dies hier stieÃ. Eine Frau â¦Â« Er schluckte. »Es war nicht sie, die ich sah.«
»Es wird noch mehr Tote geben«, sagte Suriel leise. »Er fängt gerade erst an.«
»Ich habe sie nicht erkannt.«
»Ich weià genau, wen du gesehen hast.«
Eine Sterbliche also, wenn Suriel Bescheid wusste. Er dachte an Mairi und daran, was sein rechtes Auge ihn hatte sehen lassen. »Mairi«, krächzte er und leckte sich über die Lippen, die auf einmal staubtrocken waren. Wenn das tatsächlich Mairi gewesen sein sollte, die er gesehen hatte ⦠er fühlte sich elend, sann nach Rache.
»Sie ist bei sich zu Hause in Sicherheit«, erklärte Suriel
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