Velvet Haven Paradies der Dunkelheit
sein Blick erneut auf Mairi, und nun hatte er das Gefühl, man habe ihm das Herz mit einem Schwert gespalten.
Sie hatte so vollkommen ausgesehen: dort auf dem Altar. Es war zwar nur in seiner Vorstellung geschehen, doch er wollte nichts sehnlicher, als dass es auch Wirklichkeit werde.
Er musste jetzt gehen â sofort. Denn er drohte in einen finsteren Abgrund zu stürzen, aus dem es kein Entkommen gab. Sie hatte nur zu seinem Vergnügen gedient, rief er sich ins Gedächtnis: ein reines Mittel zum Zweck.
Nein. Ihm war einerlei, ob er sie je wiedersah. Er würde nicht mehr an sie denken. Würde sich nie wieder an den Ausdruck der Ekstase auf ihrem Gesicht erinnern. Er würde ihr nicht in seinen Träumen begegnen.
So erhob er sich und entfernte sich rasch von dem Bett, ohne sich noch einmal nach ihr umzudrehen. Er wollte dem Verlangen, das plötzlich in ihm aufwallte, keine Möglichkeit geben, sich Bahn zu brechen.
Träum von mir, Mairi, lag ihm auf den Lippen, doch er schluckte die Worte hinunter und verlieà das Zimmer.
Als er die Wohnungstür öffnete, bemerkte er, dass ihn der Hund, der ihm aus dem Zimmer gefolgt war, nun ansah. »Pass auf sie auf«, befahl er ihm noch einmal. Gerade wandte er sich zum Gehen, als die Beleuchtung der Stereoanlage seine Aufmerksamkeit erregte. Er griff hinter die Geräte und zog Cailleachs Buch hervor. Mit dem Daumen streifte er über die Triskele, die in den Ledereinband geprägt war. Es schien ihm Zeit, sich wieder seinem eigentlichen Ziel zu widmen â den schwarzen Magier zu finden, Carden zu retten und Morgan zu vernichten. Er hatte bereits viel zu viel Zeit mit Mairi verschwendet und zu wenig darüber nachgedacht, was er nun als Nächstes unternehmen sollte.
Es brachte ihn nicht vorwärts, an sie zu denken und sich nach ihr zu sehnen.
Schnell lieà er das Buch in der Tasche verschwinden, dann zog er die Tür hinter sich ins Schloss. Er fühlte, dass sein Herz ganz schwer war, doch es würde bis in alle Ewigkeit weiterschlagen. Einsam. Ohne jemals geliebt zu werden. Mit einem Fluch belegt.
Bran ging durch die dunklen StraÃen und beobachtete die ihm unbekannte Gegend sehr genau. Er wünschte sich, sein Arm wäre ganz und gar heil. Er musste fliegen, sich hoch in die Lüfte über die Gebäude erheben, um einen Ãberblick zu bekommen. Als Vogel arbeitete sein Orientierungssinn weit besser, seine Augen waren schärfer. Mit jeder Sekunde, die er im Reich der Sterblichen verbrachte, würde seine neu gewonnene Zauberkraft jedoch wieder schwächer werden. Er musste nach Annwyn zurückkehren oder zumindest das Velvet Haven erreichen.
Gedankenverloren ging er die zwei Häuserblocks zum Club zu FuÃ. Von der anderen StraÃenseite aus konnte er bereits das Hämmern der Musik hören und die zuckenden Neonlichter drinnen erkennen. Es roch nach Sex und Korruption, von denen die steinernen Mauern durchdrungen waren.
Er trat aus dem Schatten, hielt jedoch beim Anblick einer schwarzen Gestalt inne, die vom Dach des Clubs in die kleine SeitenstraÃe gleich neben ihm heruntergesegelt kam. Sofort weiteten sich seine Pupillen und verschlangen die Iris seiner Augen, so dass er das Portal nach Annwyn vor sich sehen konnte. Aus den grauen Nebelschwaden stieg Dunst auf, der Geruch des Todes drang ihm stechend in die Nase. Er erblickte eine nackte kniende Frau, die um das Genick und um die FuÃfesseln an eine steinerne Platte gekettet war. Um sie herum standen brennende schwarze Kerzen im Kreis. Auf dem Boden war ein umgekehrtes Pentagramm zu sehen, das mit etwas Rotem hingepinselt worden war â Blut.
Ihr Haupt war kahlgeschoren, der bleiche Körper zitterte vor Kälte. Sie drehte den Kopf, der auf ihren Knien ruhte. Ihre Augen fehlten, an deren Stelle waren nur noch schwarze Löcher zu sehen. Und auf ihrem Körper prangten Symbole, Zeichen aus Annwyn sowie Schriftsymbole der Engel. Das Blut, das aus den Wunden getreten war, war längst verkrustet und erinnerte Bran an getrocknete Tränen. Welchen Schmerz sie hatte erleiden müssen! Das reinste Grauen.
Plötzlich streckte sie die Hand nach ihm aus und lieà eine trockene, heisere Stimme vernehmen.
»Hilf mir«, flehte sie ihn an. Dann zog irgendetwas oder jemand an der Kette und brachte sie zum Schweigen. Doch sie blickte ihn aus diesen unheimlichen schwarzen Löchern weiter an und wieder hörte er, wie das Wort Bitte
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