Velvet Haven - Pforten der Finsternis - Renwick, S: Velvet Haven - Pforten der Finsternis - Mists of Velvet - The Immortals of Annwyn Book Two
das?«
»Sie steht für dich. Sie ist eine Person mit starken übersinnlichen Fähigkeiten; und dennoch hält sie einen Teil ihrer selbst verborgen – so wie du.« Er blickte zu ihr hin, dann sah er wieder die am Boden verteilten Karten an. »Alle Karten sind angeordnet. Alles, was mit der Prophezeiung zu tun hat, ist vorhanden, es wartet nur darauf, gedeutet zu werden, entdeckt zu werden.«
»Und welche Karte steht für dich?«, erkundigte sie sich. Ihre Stimme war mit einem Mal ganz belegt. Er reichte ihr die Karte und beobachtete ihr Gesicht.
Der Tod.
Die Karte glitt ihr aus den Fingern und landete mit dem Bild nach oben auf dem Teppich.
»Es bedeutet aber nicht das, was du vielleicht denkst. Dies ist die Karte der Wiedergeburt, sie steht für eine Zeit des
Wandels. Eine Zeit, in der etwas endet, damit etwas Neues beginnen kann. Wie der Phönix, der aus der Asche emporsteigt. Der Tod ist nicht das Ende; er ist nur die Vorstufe zur Wiederauferstehung. Diese Karte ist sehr mächtig.«
Sie erhob sich, um ihre Gedanken zu sortieren, doch er griff nach ihr und streichelte ihr über den Arm.
»Ich habe dich erschreckt. Das tut mir leid. Viele betrachten die Tarotkarten als eine Einladung an das Böse. Doch aus den Karten lässt sich vieles lernen. Ich nutze sie nicht für die Schwarzen Künste, sondern um Licht ins Dunkel zu bringen.«
Rowan blickte langsam zu ihm auf. Jetzt oder nie. Ihre Zeit war knapp und sie brauchte ein paar Antworten. »Isolierst du dich deshalb so, verkriechst du dich deshalb hier in diesem dunklen Raum?«
Sie hörte, wie ihm der Atem stockte, und bemerkte, wie er sich von ihr abwandte, sein Gesicht glich einer wunderschönen Maske, die seine Gedanken und Gefühle verbarg. »Ich isoliere mich nicht.«
»Es gibt nur dich und Rhys. Und wenn du nicht mit ihm zusammen bist, bist du allein.«
Er warf ihr einen Blick über die Schulter zu, die Augen düster und aufgewühlt. »Ist dir je aufgefallen, dass man sich in einem Haus, das voller Leute und Leben ist, dennoch ganz und gar einsam fühlen kann?«
»Ja.« Auch sie hatte Ähnliches erlebt, und selbst jetzt, da sie bei Bran und Mairi lebte. Sie war von Leuten umgeben, von Leuten, die sich um sie sorgten; und trotzdem fühlte sie sich schrecklich einsam.
»Du und ich, wir sind uns besonders ähnlich. Die wenigsten Leute, glaube ich, würden so etwas überhaupt merken.«
Rowan nickte und sah sich erneut im Zimmer um. »Vielleicht fühlen wir uns deshalb zueinander hingezogen. Wir gleichen uns.«
Seine Augen wurden violett und seine Stimme verwandelte sich in ein steinerweichendes Schnurren. »Ist das der einzige Grund, weshalb wir uns zueinander hingezogen fühlen?«
Ihr Magen tat einen kleinen Satz, und plötzlich war es, als würden eine Million Schmetterlinge in ihrem Inneren in die Freiheit entlassen. Sie konnte seine Frage nicht beantworten. Sie war viel zu persönlich. Es schien ihr einfach zu riskant, ihm die Wahrheit zu sagen. Stattdessen ließ sie ihren Blick durch den Raum wandern, während sie über eine passende Antwort nachdachte.
Auf einem Tischchen neben dem Bett lag neben einer Kerze ein schwarzes Quadrat aus Satin. Auf dem Stoff war eine blonde Locke zu sehen. Und daneben befand sich ein zusammengeknülltes Stück Papier.
Plötzlich stand Keir vor ihr und versperrte ihr die Sicht. »Was ist das?«, wollte sie wissen.
»Nichts.«
»Keir …«
»Nun, jedenfalls nichts, was dich etwas anginge.«
Rowans Herz zerfiel zu Staub. Ob Keir eine Geliebte hatte? War es Bronwnn? Das blonde Haar war hell genug. O Gott, war Keir mit ihrer … Schwester zusammen? Möglich war es. Rhys und Keir teilten so gut wie alles … wirklich alles … zumindest hatte Sayer es ihr so erzählt. Möglicherweise teilten sie sich auch sie.
Und warum auch nicht? Bronwnn war wunderschön – und sie war dünn, ganz anders als Rowan. Sie hatte eine
gute Figur. Klar, dass ausgerechnet sie herausfinden musste, dass sie eine Schwester hatte und dass sie selbst die Hässlichere war – und das alles an einem einzigen Abend.
»Was führt dich zu mir?«
Es war nur eine Frage, doch seine Worte und die heisere Stimme ließen es in ihren Ohren absolut verführerisch klingen.
»Ich … ich weiß es nicht.« Sie sah weg, unfähig, seinem Blick zu begegnen. »Ich glaube, ich wollte einfach mit jemandem reden. Und Mairi … tja, nun …«
»Sie ist bei ihrem Geliebten«, half er nach. Er nahm ihr das Glas ab und stellte es hinter sich auf den Tisch.
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