Velvet Haven - Pforten der Finsternis - Renwick, S: Velvet Haven - Pforten der Finsternis - Mists of Velvet - The Immortals of Annwyn Book Two
Rhys. Bran weiß genau, dass du allein klarkommst. Das ist nicht der Punkt.«
Rhys war normalerweise überhaupt nicht der fiese Machotyp, doch in letzter Zeit deutete sein Handeln immer wieder darauf hin. Er musste im Grunde niemandem etwas beweisen, außer vielleicht sich selbst, so machte es den Anschein.
»Also, was verbirgst du sonst noch?«, grummelte Rhys, denn er zog es vor, über etwas anderes oder vielmehr über jemand anderen als sich selbst zu reden. »Ich weiß, dass du etwas verschweigst, also kannst du es mir doch genauso gut auch sagen.«
Seufzend lehnte sich Keir zurück und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Ich habe die Karten dazu benutzt, um mehr über Rowans Vergangenheit in Erfahrung zu bringen.«
»Und was hat das Tarot dir verraten?«
»Nichts. Ich meine, es ist wirklich kurios. Ich weiß, dass sie nicht zu hundert Prozent menschlicher Abstammung ist. Das spüre ich. Und Bran fühlt es auch. Aber was dieser andere Teil von ihr ist … ich kann es nicht sagen.«
»Und dieser andere Teil von ihr, denkst du, er könnte von Nutzen sein, um sie zu retten?«
Keir sah ihn mit einem bohrenden Blick an. »Was meinst du damit?«
»Wenn sie unsterblich ist, kannst du dann ihre Unsterblichkeit, wie auch immer sie aussehen mag, dazu nutzen, sie zu retten?«
»So funktioniert das doch nicht. Man ist entweder unsterblich oder man ist es nicht.«
»Das weiß ich bereits.« Rhys hatte es mit Zauberei versucht, doch rein gar nichts war passiert. Er war ein Sterblicher, mit violetten Sidhe-Augen – dies war der einzige Hinweis darauf, dass auch in ihm das Blut der Unsterblichen floss. Nein, da war nicht die kleinste magische Zelle in seinem Körper. Das einzige Talent, das er besaß, war der Umgang mit Pfeil und Bogen. Als er schon als Kind endlich akzeptiert hatte, dass ihm die Magie nicht im Blut lag, hatte er sich ein anderes Hobby gesucht – das Bogenschießen. Und er war gut, richtig gut darin; sein Lehrer hatte ihn als Naturtalent bezeichnet. Er war immer der Überzeugung gewesen, dass er eines Tages noch von seinem Talent würde profitieren können. Aber im Vergleich zur Magie war das Spielen mit Pfeilen natürlich eher … na ja … Kindergartenniveau.
»Ich dachte, wenn ich mir bei den Karten Rat hole, dann erfahre ich vielleicht mehr über sie, aber da kamen nur verschwommene Bilder, bis …«
Keir hielt inne und schloss die Augen. Rhys spürte, wie sehr der Schattengeist litt. Wie es ihn aufzehrte.
Er selbst war noch nie verliebt gewesen, und dafür war er jetzt mit einem Mal dankbar, denn er wollte auch nicht
andeutungsweise erleben, was sein Freund gerade durchmachte.
»Heute Morgen bin ich weg aus dem Club und bin nicht dorthin gegangen«, flüsterte Keir leise und mit versagender Stimme. Rhys wusste genau, von welchem Ort Keir sprach – von Rowans altem Lager, in dem sie ihr ganzes New-Age-Zeug aus dem Esoterikladen aufbewahrte. Keir war ein begeisterter Kartenleger.
Der Schattengeist warf ihm einen Blick zu, und sogleich war Rhys klar, dass er seine Gedanken hören konnte. »Ich musste ihr nahe sein, und ich musste sie näher kennenlernen. Ich wollte mehr über ihre Vergangenheit wissen.« Keir warf ihm einen verschleierten Blick zu. »Stattdessen habe ich ihren Tod vorausgesehen.«
Rhys schob die Schüssel zur Seite, beugte sich vor und versuchte, Keirs Blick einzufangen. Doch der war Millionen von Meilen entfernt, versunken in Erinnerungen. »Ich habe es in den Karten gesehen – Hitze und Flammen und Asche. Und wenn die Glut erloschen ist und der Wind flüsternd über ihr Grab streift, stiebt die Asche auf und fliegt davon. Dann ist nichts übrig als etwas Silbernes, geschmolzen und verbogen.«
»O Gott, Keir«, flüsterte Rhys, während er die Hand ausstreckte und den Schattengeist an der Schulter festhielt. »Du hättest mir das alles viel früher erzählen sollen.«
»Wozu?« Keir sah ihn mit Verzweiflung in den Augen an. »Kannst du etwas daran ändern?«
»Du weißt, dass ich das tun würde, wenn ich könnte.«
Sein Freund nickte und schob die Kaffeetasse zur Seite. »Das ist doch alles Schwachsinn, weißt du.« Keir stand auf und entfernte sich vom Küchentisch, schleichend wie ein
eingesperrter Löwe. »Ich sollte mich nicht darum kümmern, was aus ihr wird. Wie lange kenne ich sie jetzt? Einen Monat? Meine Güte, ich habe noch nicht einmal mit ihr geschlafen. Und trotzdem habe ich etwas empfunden, genau in der Sekunde, da sie mir das erste Mal in die Augen
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