Velvet Haven - Pforten der Finsternis - Renwick, S: Velvet Haven - Pforten der Finsternis - Mists of Velvet - The Immortals of Annwyn Book Two
sie, als sie zu ihm aufsah. Seine Augen waren geschlossen und sein Kopf baumelte schlaff von Seite zu Seite. Sie musste ihn zu ihrer Hütte bringen und seinen Körper von diesem Gift befreien, das seinen Geist immer noch fest im Griff hatte.
Zufällig verschwand der Mond soeben hinter einer Wolke,
der Pfad war in Dunkelheit gehüllt. Doch Bronwnns Wolfsaugen und ihr angeborener Orientierungssinn leiteten sie in der Finsternis. Still und schweigend gingen sie weiter, bis sie den Pfad verließen und in ein dicht bewaldetes Gebiet vordrangen. Und wenige Sekunden später schon standen sie vor der verfallenen Hütte, die ihr als Unterschlupf diente.
Eines Nachts, als sie sich vom Tempel entfernt hatte, war sie über dieses verlassene Gehöft gestolpert. Es bot ihr nicht nur Schutz, sondern auch den Luxus einer Privatsphäre und einen Ort, den sie ganz ihr Eigen nennen konnte. Dort übte sie sich in der Wahrsicht und in den uralten Heilkünsten ihrer göttlichen Mutter. Hier bewahrte Bronwnn ihre Bücher auf und las darin, wann immer sie die Zeit dazu fand. Ihre Mutter war die einzige Göttin gewesen, die die Kunst der schwarzen Magie beherrscht hatte. Okkultes Wissen führte zu einem besseren Verständnis der Alchemie, weshalb ihre Mutter um dieses dunkle Wissen bemüht gewesen war und es so angewandt hatte, um damit dem Wohl aller in Annwyn zu dienen. Es war eben diese Kenntnis der schwarzen Künste, die Bronwnn heute Nacht zurate ziehen müsste, wenn sie diesen Mann vor dem rituellen Zauber des Magiers retten wollte. So viel war ihr klar.
Hier in ihrer Hütte, mit all ihren Kräutern und Zaubersprüchen, konnte sie diesen Mann – ihren Gefährten – heilen, ihn vom Bann des Magiers befreien, der nach der Macht im Reich der Sterblichen wie in der Anderwelt strebte.
Er stützte sich an ihr ab, und Bronwnn griff nach dem verrosteten Riegel vor der Tür. Er war schwer, und sie war erschöpft, da sie den größten Teil seines Gewichts zu tragen hatte. Die Angeln der Tür ächzten, als sie sie öffnete. Der
Mann stolperte vorwärts und riss Bronwnn mit sich. Er landete auf den Knien, sie auf dem Rücken, völlig geschwächt.
In der Hütte war es dunkel und still. Das einzige Geräusch war der heftig keuchende Atem des Mannes, der sich jetzt über sie beugte. Mit zittriger Hand berührte er ihr Gesicht, ihre Wangen, die Augen, dann weiter unten Nase und Mund, über den er die Kuppe seines Daumens hin und her bewegte.
Seine Augen waren dunkel, eine undefinierbare Farbschattierung im schwachen Licht des Häuschens. Doch sie beobachteten sie, konzentrierten sich auf ihr Gesicht, selbst durch den Schleier hindurch, der sie zum Leuchten brachte. Sie war sich seiner Gegenwart bewusst und spürte nicht nur seine imposante Größe über sich, sondern auch die Art, wie sein Körper den ihren zu rufen schien. Sie fühlte sich wie eine Schlampe, dass sie in einer solchen Lage über ihre eigenen Bedürfnisse nachdenken konnte. Doch waren diese Sehnsüchte derart neu für sie, dass sie sie nicht unter Kontrolle bekam.
Er umschloss mit einer Hand ihre Wange und beugte sich zu ihr, sodass sein Mund an ihrem Ohr lag. »Danke, mo slanaitheoir«, flüsterte er, ehe er kraftlos auf ihr zusammenbrach. Meine Retterin.
Rhys fühlte, wie sein Körper über den hölzernen Boden geschleift wurde. Er war zu groß und zu schwer für sie, das wusste er, doch war er einfach zu schwach, um ihr zu helfen. Er konnte sich kaum gegen die drohende Bewusstlosigkeit wehren, und erst recht nicht geschafft hätte er es, sein kraftloses Gerippe dorthin zu schleppen, wohin ihn die Frau gerade zerrte.
Er versuchte zu sprechen, doch sein Mund war wie ausgedörrt, und sein Hals fühlte sich an, als wäre er eingerostet. Er brachte die Augen gerade mal einen Spalt auf, und das ärgerte ihn, denn der kurze Blick, den er auf die Frau erhaschen konnte, warf ihn fast um. Ihr Haar schien zu leuchten, die Augen waren von einem blassen Blau, einer Farbe, die ihn an das eiskalte Wasser der arktischen See erinnerte.
Und dennoch war sie ein zähes kleines Ding, denn nun wurde ihm klar, dass sie seinen Körper auf einen Stapel Decken hievte – nein, es waren Felle, wie er bemerkte, als er in der luxuriösen Weichheit versank. Die Frau sagte keinen Ton, allerdings hörte Rhys, wie sie im Zimmer umherging; dann vernahm er ein schabendes Geräusch, und kurz darauf roch er den beißenden Geruch von Rauch. Neben ihm war ein Tosen zu hören, ein Holzscheit flammte
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