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Venedig sehen und stehlen

Venedig sehen und stehlen

Titel: Venedig sehen und stehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krischan Koch
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hielt krampfhaft das Glas mit der milchigen Flüssigkeit umklammert.
    »Entwarnung. Es war nicht Giovanni-Dieter, nur der Installateur. Ich habe ihn auf morgen vertröstet.«
    Kurz darauf trichterten sie Franca den Rest des Tranquilizers ein. Die verdrehte zwischendurch kurz die Augen, schien dann aber umso friedlicher auf dem herrlich kühlen Marmorboden wegzuschlummern.
    Zoe machte einen Gesichtsausdruck, als wollte sie sich am liebsten dazulegen.
    »Du brauchst dringend eine Ladung kaltes Wasser und dann einen starken dreifachen Espresso.«
    Er schleppte sie ins Bad. Leise murrend ließ sie über sich ergehen, dass Harry ihr die Bluse auszog, den kalten Hahn voll aufdrehte und ihr aus der Hand ein paar Mal das Wasser ins Gesicht und über den Oberkörper schüttete.
    »Hast du den Teststreifen gesehen«, fragte sie, als er sie etwas unsanft mit dem Handtuch abtrocknete.
    »Hab ich gesehen«, sagte er mit gespielter Gleichgültigkeit.
    »Weißt du, was der Strich zu bedeuten hat?«
    »Ich kann es mir denken.«
    »Und?«
    Er nahm Zoe in den Arm. Dabei sackte sie ihm schon wieder halb weg. Sie zog sich an ihm hoch und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
    »Wir müssen unsere Pläne ändern. Wenn wir das Bild haben, sollten wir möglichst schnell aus Venedig verschwinden.«
    Zoe schob ihn mit einer leichten Handbewegung aus dem Bad.
    »Ich muss mal.«
    »Kommst du auch klar? Are you sure? «
    Als Harry sich umdrehte, schrie er fast auf. In der Badezimmertür stand: Francesca. Das Leinenjackett wirkte etwas derangiert, sie hatte Mühe, die Augen offen zu halten. Aber in der Rechten hielt sie die Zwei-Millimeter-»Kolibri«. Warum, verdammt noch mal, hatte er nicht daran gedacht, die Waffe in Sicherheit zu bringen? Er konnte es selbst nicht fassen, was für ein Idiot er war.
    »Ich störe euer spießiges Familienglück ja nur ungern«, nuschelte sie. »Das hast du dir so vorgestellt, caro mio, dass ihr mich hier mit einer hübschen Dosis Benzos liegen lasst.«
    Dass Franca unter starken Beruhigungsmitteln stand, machte die Situation nicht ungefährlicher. Harry schaute entsetzt zwischen den beiden Frauen hin und her.
    Zoe saß mittlerweile auf dem Klo und ließ es in aller Seelenruhe klötern, während Franca mit glasigem Blick vor ihnen mit der Pistole herumfuchtelte.
    »Bist du bald fertig, puttanella. Das nächste Mal treffe ich besser, ich versprech’s dir«, lallte sie.
    Harry brach der Schweiß aus. Er konnte sich kaum rühren in Hans-Dieters engem Badezimmer, eingeklemmt zwischen der bewaffneten Franca und seiner pinkelnden Freundin. Zoe war inzwischen fertig, und Franca dirigierte die beiden mit vorgehaltener Pistole zurück in die Wohnküche. Während Harry an der Tür stehen blieb, torkelte Zoe auf das Regal mit den Glastieren zu.
    Franca schwenkte mit ihrer »Kolibri« zwischen beiden hin und her. In dem Moment gab Zoe ein seltsames Stöhnen von sich und griff sich an den Kopf. Franca war für einen Moment abgelenkt. Als sie sich Zoe zuwandte, bückte sich Harry, einer plötzlichen Eingebung folgend, packte den Rand des venezianischen Läufers, auf dem Franca stand, und zog mit aller Kraft daran. Der italienischen Bildhauerin riss es schlicht den Boden unter den Füßen weg. In ihrem benebelten Zustand hatte sie nicht die geringste Chance, dies zu verhindern. Einen kurzen Moment schien sie fast waagerecht in der Luft zu liegen, um dann mit einem gewaltigen Krach in dem antiken Küchenschrank zu landen. Franca fiel in sich zusammen wie einer dieser Gipssäcke in ihrem Atelier. Sie gab eine Art Schnaufen von sich, dann war sie still. Sie lag direkt vor dem Schrank. Das schwere Küchenmöbel hinter ihr kippelte bedrohlich und der auf dem Schrank versteckte Murano-Karpfen reckte seine regenbogenfarben schillernde Schwanzflosse über den Rand. Der Schrank fand seinen festen Stand wieder, aber der kapitale Glaskarpfen entschloss sich zum Sprung.
    In dieser Zehntelsekunde wusste Harry, dass genau jetzt etwas Verhängnisvolles passieren würde. Er sah schon das hässliche Tier in tausend Stücke zerspringen und die kleinen bunten Glassplitter sich auf dem Steinboden in die entlegensten Winkel von Giovanni-Dieters Wohnküche ergießen wie über einen zugefrorenen See schliddernde Eisstücke. Er wollte eingreifen, den Karpfen auffangen. Aber er blieb wie gelähmt stehen und sah einfach nur zu. Sah, wie der Glaskarpfen, als hätte er das geübt, im Sprung einen gedrehten Salto vollführte und sich die

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