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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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könnte ich Maximilian weder stellen noch laufen lassen.
    Stelle ich ihn, bist du ruiniert. Lasse ich ihn laufen, verliere ich meine Selbstachtung.» Tron grinste schief. «Weißt du, wie man das nennt, Maria?»
    «Sag es mir.»
    «Ein mexikanisches Unentschieden.»

17

    Sie betraten seine Zelle im Morgengrauen – drei Soldaten, deren Uniformen so verschmutzt waren, dass man ihre Dienstränge nicht erkennen konnte, und ein Leutnant, dessen Gesicht ihn trotz seines gewaltigen Schnurrbarts fatal an das Gesicht seines Bruders erinnerte. Der Priester in ihrem Gefolge war klein und fett, hatte eine Frisur wie ein Schmalzkringel, und er sah aus wie sein Schwiegervater, der König von Belgien.
    Die Soldaten verzichteten darauf, ihm die Hände auf  dem Rücken zusammenzubinden, bevor sie ihn aus der  Zelle führten. Wohin hätte er auch fliehen können? Das  Kasernengelände war von einer hohen Mauer umschlossen, und der kleine Hügel, den alle den Glockenhügel nannten, lag nur fünfzig Schritte von dem Gefängnistrakt entfernt, in dem er die letzten zwei Wochen verbracht hatte.

    Seine Stiefel hatten sie ihm gestern Abend weggenom men, und jetzt konnte er den lockeren Staub unter seinen Füßen spüren, der kühl und noch feucht vom nächtlichen Tau war. Er konnte über sich die Schreie von Möwen hö ren, die sich manchmal ins Hinterland verirrten. Und er konnte die Männer des Erschießungskommandos auf dem Hügel erkennen, deren Silhouetten sich scharf vom Purpur der Morgendämmerung abhoben. Als die Salve ihn traf und sich die Kugeln in seine Brust bohrten, war er erstaunt dar über, dass der Schmerz ausblieb. Dann wurde es plötzlich dunkel, so wie in einem Raum, in dem alle Kerzen im selben Moment gelöscht werden.
    Das Erste, was Maximilian nach einer unbestimmten  Zeitspanne wieder empfand, war etwas Glattes, das über  seine Wange strich und so roch wie ein Rosshaarbezug. Er schlug die Augen auf und stellte fest, dass er im Begriff war, vom Sofa zu rutschen. Zwar gelang es ihm, seinen Sturz mit der ausgestreckten Hand abzufangen und zu vermeiden, dass sein Kopf auf den Boden schlug, trotzdem fiel er hart auf die Seite. Irgendetwas in seinem Schultergelenk knackste laut, aber er beschloss, den Schmerz in seiner Schulter zu ignorieren. Als ob es darauf noch ankäme. Eine Welle von Schwindel durchdrang seinen Kopf wie eine Ätherwolke, und er machte die Augen zu, bis das Gefühl vorüber war.
    Dann stand er keuchend auf und ließ sich wieder auf das Sofa fallen. Offenbar war er eingenickt und hatte irgendetwas Abscheuliches geträumt. Das passierte ihm in letzter Zeit immer häufiger.
    Die Tage nach dem Tod Anna Slatapers hatte Erzherzog  Maximilian in einem Zustand verbracht, der an ein Deli rium grenzte. Zuerst hatte er gedacht, er würde ihren Tod einfach abwettern, wie eine gut geführte Fregatte einen  Wintersturm. Die Haltung, in der er die Nachricht von
    ihrem Tod entgegengenommen hatte, war ausgesprochen  staatsmännisch gewesen – anders konnte man es nicht sagen.
    Aber wenig später musste er sich eingestehen, dass er sich gründlich getäuscht hatte. Seit drei Tagen plagten ihn plötzliche Schweißausbrüche, und bei jeder hastigen Bewegung fing sein Herz wie rasend an zu klopfen – so als würde ein wild gewordener Zwerg in seiner Brust sitzen, der wie verrückt auf eine Trommel einschlug. Das Gefühl, sich in einem dunklen, schmalen Tunnel zu befinden, während etwas Fürchterliches, das er noch nicht erkennen konnte, direkt auf ihn zuraste, war zu seinem ständigen Begleiter geworden. Alles begann ihm um die Ohren zu fliegen, und er konnte nichts dagegen unternehmen.
    Erstaunlich, dachte Maximilian, wie er es trotz allem geschafft hatte, jeden Tag ein halbes Dutzend Besucher zu empfangen, die mexikanischen Angelegenheiten energisch voranzutreiben und vor seiner Gattin, der Erzherzogin  Charlotte, den Eindruck zu erwecken, es stünde alles zum Besten. Ein anderer – jemand, der aus einem anderen Holz geschnitzt war – wäre an seiner Stelle bereits zusammengebrochen.
    Maximilian sah auf die goldene Pendeluhr, die auf dem  Kamin stand – eine kostbare Spezialanfertigung aus der  Werkstatt Breguets. Die Uhr stammte aus dem Salon der  Erzherzogin Sophie in der Wiener Hofburg, und wenn  Franz Joseph behauptete, er, Maximilian, hätte sie widerrechtlich dort entfernt, dann stimmte das einfach nicht.
    Aber das war typisch für seinen Bruder. Der unterstellte ihm inzwischen, dass er Uhren

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