Venezianische Verlobung
Hoheit.»
«Geben Sie her.»
Maximilian nahm den Stapel entgegen, legte ihn neben sich auf das Sofa und fing an, ihn Brief für Brief durchzusehen.
Zwei Einladungen zu Regimentsbällen in Venedig und Verona. Musste er wohl oder übel zusagen. Die Bitte eines Waisenhauses in Görtz um finanzielle Unterstützung. Der Bitte musste zügig entsprochen werden. Das respektlose Schreiben der Wiener Zentralbank, die ihn darauf aufmerksam machte, dass sein Privatkonto keine Deckung mehr aufwies. Selbstverständlich nicht zu beantworten. Ein Brief seines Schwiegervaters, des belgischen Königs, Monsieur Schmalzkringel. Erst mal zu ignorieren. Und ein persönlicher Brief der Kaiserin Eugenie, der Gattin Napoleons. Den würde er nachher handschriftlich beantworten.
Der Rest des Stapels bestand aus Rechnungen, die so hoch waren, dass sie nicht aus dem Etat für die laufenden Kosten beglichen werden konnten. Und schließlich gab es noch einen großen braunen Umschlag, der – Maximilian konnte nicht sagen, woran es lag – irgendwie gefährlich wirkte. Der Absender bestand aus zwei fast unleserlichen Buchstaben, und als Adresse war lediglich Venezia angegeben. Er sah Schertzenlechner fragend an: «Was ist das hier?»
Schertzenlechner setzte seinen Kneifer auf. «Ein ziemlich dicker Umschlag, Kaiserliche Hoheit.»
«Das sehe ich auch.»
«Soll ich ihn für Kaiserliche Hoheit öffnen?»
«Nein, das kann ich selber.»
Was Maximilian dann auch versuchte, indem er ziemlich ungeschickt mit dem billigen Elfenbeinbrieföffner hantierte, den ihm sein kaiserlicher Bruder zum letzten Geburtstag geschenkt hatte. Schließlich platzte der Umschlag auf wie eine Wundertüte, und sein Inhalt flatterte auf den Boden.
Und dort, auf dem großen Aubusson, der den Fußboden des Salons bedeckte, bildeten die Photographien, auseinander geschoben wie ein Kartenspiel, einen obszönen Fächer.
Als Maximilian begriff, worum es sich handelte, hätte er fast einen Schrei ausgestoßen. Jede der Photographien, die erstaunlich, geradezu schmerzhaft scharf waren, zeigten ein liegendes nacktes Paar auf einem Bett, das ihm nur allzu bekannt vorkam. Kein Zweifel – die Photographien waren vor dem Bett aufgenommen worden, in dem Anna Slataper und er fast ein Jahr lang in der Wohnung am Rio della Verona geschlafen hatten.
Nicht, dass sie auf der Photographie irgendetwas taten, aber das mussten sie auch gar nicht, denn über das, was sie bereits getan hatten, war kein Missverständnis möglich. Dafür war die Pose, die Anna Slataper auf der Photographie eingenommen hatte, viel zu lasziv: Sie blickte herausfordernd in die Kamera, ihr rechtes Bein lag über seinen Knien, eine Hand ruhte leicht auf seiner Schulter. Maximilian fühlte sich an Gemälde erinnert, wie sie auf den Fluren von Jagdschlös sern hingen. Anna Slataper sah aus wie eine schlanke Diana und er wie ein erlegter Keiler – auf dem Rücken liegend, mit geöffnetem Mund und blöde herabgesacktem Unterkiefer. Dass man gleichsam hören konnte, wie er schnarchte, war nicht der Punkt, aber es gab Maximilian den Rest.
Er war, ohne es zu merken, auf die Knie gefallen. Jetzt beugte er sich über die Photographien wie über die Scherben einer unersetzlichen Della-Robbia -Terrakotta und rang nach Luft. Als er sich ein paar Minuten später schwankend erhob, musste Schertzenlechner ihn stützen.
«Laudanum», sagte Schertzenlechner heiser. «Das ist die einzige Erklärung, die ich für diese Photographien habe. Sie hat Kaiserliche Hoheit mit Laudanum betäubt.»
Eine Erklärung, die Maximilian tröstete, denn er hatte von Leuten gehört, die sich freiwillig so photographieren ließen – vermutlich Franzosen oder Russen. Dass Schertzenlechner ihn nicht zu diesen Leuten zählte, beruhigte ihn einen Augenblick lang.
Der hatte sich dicht über ihn geneigt, wie über einen Kranken. Seine fischigen Augen blickten in Maximilians Gesicht, wobei die Gläser seines Kneifers wie eine Lupe wirkten, sodass die winzigen Schuppen auf Schertzenlechners Lidern wie Kieselsteine aussahen. Sein Atem roch unangenehm – wie Muschelbänke bei Ebbe. Aber das, was er sagte, war interessant.
Schertzenlechner sagte, indem er Maximilian etwas Flaches, Weißes entgegenhielt: «Da ist noch ein Umschlag, Kaiserliche Hoheit.»
Die Botschaft, die Maximilian mit zitternder Hand geöffnet hatte, war kurz und knapp. Für einen zweiten Satz Photos wurden fünftausend Lire verlangt – in Gold. So viel
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