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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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zwischen ihm und der venezianischen Katastrophe, einen Schritt in Richtung Balkontür tat. Der Privatsekretär hatte sich zur Seite gedreht, und einen Augenblick lang zeichnete sich seine Silhouette hart und dunkel vor dem Nebel hinter den Fenstern ab – ein Anblick, der Maximilian, ohne dass er hätte sagen können warum, an ein Erschießungskommando denken ließ.
    Was wäre, flüsterte plötzlich eine Stimme in seinem  Hinterkopf – was wäre, wenn es dieses Bindeglied nicht mehr gäbe? Wenn es wegfiele – wenn es zum Beispiel …  herabfiele ?

    Was wäre, fuhr die Stimme in seinem Kopf fort, wenn  jemand Schertzenlechner auf den Balkon lotsen würde? Ihn auffordern würde, auf der Brüstung Platz zu nehmen, um ihm dann – einen Stoß zu geben? Schertzenlechner würde  so überrascht sein, dass er nicht einmal zum Schreien käme.
    Er würde unten aufschlagen und sofort tot sein. Ein tragischer Unfall. Niemand würde an der Aussage eines Erzherzogs zweifeln. So vorzugehen wäre – staatsmännisch betrachtet – völlig normal. Alle großen Staatenlenker hatte Leichen im Keller.
    Allerdings klemmte die Balkontür. Schertzenlechner  könnte vielleicht auf den Gedanken kommen, nach einem  Lakaien zu klingeln, und dann … Maximilian hob das  Kinn. Sein Privatsekretär hatte etwas gesagt, das ihm entgangen war.
    «Wie bitte?»
    «Beust war in Venedig», wiederholte Schertzenlechner.
    Er sah schuldbewusst aus – wie ein Kind, das im Begriff ist, einen dummen Streich zu gestehen.
    Maximilian seufzte. Er würde Schertzenlechner in Kürze  mit einem Auftrag nach Wien schicken. Diesen Mann täglich vor der Nase zu haben war einfach deprimierend.
    «Der Kapitänleutnant hatte etwas für mich zu erledigen.
    Warum sagen Sie mir das?»
    «Ich dachte, es könnte nicht schaden, wenn sich der Kapitänleutnant nach dem Stand der Ermittlungen erkundigt, falls er auf den Polizeipräsidenten trifft.»
    Maximilian brauchte einen Moment, bis er begriffen  hatte, was Schertzenlechner ihm damit sagen wollte. Der Mann war offenbar so blöd gewesen, Beust zu bitten, mit Spaur zu sprechen. Der Polizeipräsident würde die ermittelnden Beamten sofort über diese Anfrage informieren. Die  wussten jetzt, dass man sich in Triest für diesen Fall interessierte. «Was haben Sie Beust erzählt, als Sie ihn gebeten haben, Spaur auf den Mord anzusprechen?»
    «Es gab eine kurze Notiz im Giornale di Trieste über den Fall. Täter entkommt im nächtlichen Nebel. Ich habe ihm gesagt, dass ich in dieser Nacht in Venedig war und dass mich der Fall regelrecht erschreckt hat.»
    «Das ist als Begründung für Ihre Bitte, Spaur auf den  Mord anzusprechen, ein bisschen dünn.»
    «Der Kapitänleutnant hat es geschluckt.»
    «Was hat er Ihnen berichtet?»
    Schertzenlechner zuckte die Achseln. «Nicht sehr viel.
    Spaur hat gesagt, es gebe eine Spur, hat sich aber ansonsten geweigert, über die Ermittlungen zu sprechen.»
    Maximilian schwieg ein paar Sekunden. Dann fragte er:
    «Hat sich Beust danach erkundigt, was Sie in dieser Nacht in Venedig gemacht haben?»
    Schertzenlechner schüttelte den Kopf. «Hat er nicht.»
    «Was weiß Beust über meine Besuche in Venedig?»
    «Nur, dass Kaiserliche Hoheit regelmäßig nach Venedig  gefahren sind und weder im Danieli noch im Palazzo Reale übernachtet haben. Sonst weiß er nichts. Was der Kapitänleutnant sich dabei denkt, kann ich nicht sagen.»
    «Beust ist intelligent», sagte Maximilian nachdenklich.
    «Er wird irgendwann anfangen, Fragen zu stellen.»
    «Vielleicht wird er sich ein paar Fragen stellen. Aber er wird seine Fragen nie laut aussprechen. Dafür ist er zu ehrgeizig.»
    Das war herabsetzend gemeint. Schertzenlechner konnte  Beust nicht ausstehen. Aber es stimmte. Beust war ehrgeizig. Er war auch diskret und wahrscheinlich genauso hilfsbereit wie Schertzenlechner.

    «Der Kapitänleutnant könnte uns nützlich sein», sagte  Maximilian. «Er verfügt über ausgezeichnete Kontakte zur Kommandantura.» Über die er, Maximilian, nicht verfügte.
    Beim Heer hatte man nie ein Hehl daraus gemacht, dass  man von der österreichischen Marine, deren Konteradmiral er war, nicht viel hielt.
    «Dann müsste man ihn einweihen», sagte Schertzenlechner matt.
    «Allerdings.» Maximilian setzte sich auf. «Wo ist die  Post?»
    Schertzenlechner deutete auf das verschnürte Päckchen,  das er auf dem kleinen Tisch vor dem Sofa abgelegt hatte.
    «Sie ist noch nicht geöffnet, Kaiserliche

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